Darf man das? Darf man mit dem Monster der deutschen Geschichte herumalbern? Ja. Man darf. Wenn man kann. Dani Levy versucht in seinem neuesten Film »Mein Führer« dem größten Drecksack aller Zeiten mit einer Burleske beizukommen. Das ist, nicht erst seit Charlie Chaplins »Großem Diktator« ein legitimes Mittel der Entlarvung: Je kräftiger man über das Monster lacht, um so schwächer wird es. Und wer aus dem deutschen Film wäre für diesen Versuch besser geeignet, als Levy, der uns mit »Alles auf Zucker« die schönste aller deutschen Komödien geschenkt hat.

Schon die Besetzung verspricht die gnadenlose Hinrichtung des dämonischen Führerbildes: Helge Schneider darf Adolf Hitler spielen. Schon Schneider ist an sich eine grausig komische Figur, um wie vieles grausiger und komischer, mag sich der Regisseur gedacht haben, wird dann ein Hitler sein, der von Helge Schneider gespielt wird. Mit Ulrich Mühe ist der Konterpart besetzt, der schmächtige Jude Grünbam, der Schauspiellehrer, der dem depressiven Monster wieder Spaß am Krieg und am Judenmord beibringen soll.

Der Film spielt im Dezember 1944 in der Reichskanzlei, nicht nur der Krieg scheint verloren, auch dem Führer ist die gute Laune ausgegangen. Goebbels, gespielt von Sylvester Groth, will Abhilfe schaffen und holt Grünbaum aus dem Konzentrationslager, den Grünbaum, der Hitler zu Beginn seiner Karriere Schauspielunterricht gegeben hatte. Grünbaum besteht darauf, seine Frau und die vier Kinder mitzunehmen. Ab ihrem Eintreffen in der Reichskanzlei ist noch alles offen, alles möglich. Und Levy spielt auf der kompletten Klaviatur: Hitler hatte eine schwere Kindheit, sein Vater hatte in nicht lieb. Die Grünbaums, die den Hitler zu gerne umbrächten, bringen es aber angesichts des privaten Führers nicht übers Herz, und so trainiert der Jude den Oberarier Tag für Tag bis er wieder in der Lage ist, eine seiner suggestiven Reden zu halten, um das deutsche Volk auf den Endkampf einzustimmen.

Das Hitlerbild ist im deutschen Film in den letzten Jahren von Guido Knopp und seinen Serien im ZDF geprägt worden: Augenzeugen im düsteren Licht, auf Sechs-Sekunden-Häppchen geschnitten, untermalt vom Nazioriginalfilmmaterial, durften sich an Hitler und seine Umgebung erinnern. Knopp, der sich als Historiker ausgibt, bekam augenscheinlich nicht mit, dass der Nazis Filme und deren Ästhetik von denen zur Manipulation der Zuschauer gedacht waren. Und das konnten die gut. Dagegen waren die von Knopp und seinen Helfern montierten Augenzeugen viel zu schwach. Und so blieb die Naziästhetik nahezu ungeschoren, blieb der Hitler eine dämonische, spannende Figur, die zwar für Verbrechen verantwortlich war, aber eben auch attraktiv.

In Levys Film soll der Dämon durch den Einsatz von Helge Schneider ausgetrieben werden, aber Helge bleibt sich treu: Er stolpert durch die Kulissen des Films wie er durch seine Lieder stolpert. Er gibt einen Hitler, der so komisch wirkt wie eine Straßenbahn und weder mit dem realen Hitler noch mit dessen Bild verwandt ist. Zu keiner Sekunde kommt man auf die Idee, dass die schnarrende Figur auf der Leinwand Hitler sein könnte. Unter der dicken Hitlermaske guckt immer der Schneider hervor und zwinkert mit den Augen: Guckt mal, ich soll der Hitler sein, ist das nicht komisch? Nein. Ist es nicht.

Auch der Grünbaum, mit dem sich der Ulrich Mühe abrackert, ist für keine drei Cent komisch. Und das liegt nicht an Mühe, es liegt an einem Drehbuch, dass jede Pointe vermasselt, weil sich Levy in Wirklichkeit nicht traut, die historische Wirklichkeit komplett zu ignorieren und der Klamotte freien Lauf zu lassen. Immer wieder lugt unterhalb der Komödie der Ernst, immer wieder schwankt der Film von der Fiktion zur historischen Realität. Das Skript sagt dauernd huhu, ich bin eine Komödie, das Blut ist nicht echt und die Stimme im Kopf des Zuschauers sagt, da ist doch damals echtes Blut von ein paar Millionen Menschen geflossen, was soll den daran lustig sein und die Stimme hat recht.

Der Film hätte dieses Lachen erzeugen sollen, das einem sprichwörtlich im Halse stecken bleibt. Er hätte dem Hitler die Hosen runterlassen müssen, ihn in all seiner Erbärmlichkeit schildern, um ihn, der ja immer noch auf uns lastet, zum Gespött werden zu lassen. Das alles leistet »Mein Führer - Die wirklichste Wahrheit über Adolf Hitler« nicht. Es gibt im Internet, bei »YouTube« einen kleinen Animationsfilm von Walter Moers, der »Der Bonker« heißt und den Hitler mit seinem Hund Blondie in der Badewanne zeigt: Die paar Minuten bringen den Dämon um, lassen das Monster tanzen und geben das Lachen über den erbärmlichen Hitler frei. Walter Moers kann es. Dani Levy kann es nicht. Der Film kommt im Januar in die Kinos.

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