Nkosi sikelel’ iAfrika
Maluphakanyisw’ uphondo lwayo,
Herr, segne Afrika.
Gepriesen sei dein Ruhm
Nationalhymne Südafrikas

Kann es Zufall sein, dass Clint Eastwood einen Film über einen schwarzen Präsidenten, über Nelson Mandela, macht, in einer Zeit, in der die USA den ersten farbigen Präsidenten ihrer Geschichte haben? Kann es absichtslos sein, dass Eastwood einen Film über die Versöhnung eines zutiefst gespaltenen Landes in einem Moment in die Kinos bringt, in dem das seine so gespalten ist wie seit Jahrzehnten nicht mehr? Kann sein. Und doch ist der Zufall nicht selten eine Schnittkante von Notwendigkeiten: "Invictus", der Film darüber, wie ein Sportereignis, die Rugby Weltmeisterschaft 1995, zur Einheit der Südafrikanischen Nation beitrug, ist ein Wahrheit gewordenes Märchen, die Einheit der USA ist weit von irgendeiner Wirklichkeit entfernt.

Früh im Film gibt es eine Schlüsselszene: Mandelas schwarze Leibwache, alles beinharte Jungs aus dem jahrelangen bewaffneten Kampf gegen das mörderische Apartheid-System, grübeln über ihrem Einsatzplan. Die Tür geht auf und baumlange, weiße Sicherheitstypen kommen in den Raum. Der Chef der Mandela-Leibwächter legt die Hand auf seine Pistole und fragt aggressiv: "Wollen sie mich verhaften?" Den gestern noch waren die Farbigen die Gejagten, sagt der Reflex. Doch die Weissen waren nur die bisherige Leibwache des bisherigen, abgelösten Präsidenten und Mandela hat sie geschickt, um seine schwarzen Jungs zu verstärken und natürlich, um der Nation auch in diesem Security-Mikrokosmos beizubringen: Wir müssen die Schritte in ein gemeinsames Land schon gemeinsam machen.

Von der einigen Nation sind vor allem die "Springböcke", die geliebte Rugby-Mannschaft der weißen Südafrikaner, weit entfernt: Die Spieler, mit einer Ausnahme, sind alle weiß, das Publikum ist weiß und die Sprache von Fans und Mannschaft ist "Afrikaans", jenes altertümliche Holländisch, das die Buren sprechen, die weißen, ehemaligen Herren des Landes. Die Schwarzen mochten den proletarischen Fußball treten, die Mittel- und Oberschicht schickte ihre blonden, stiernackigen und rotgesichtigen Kinder zum Rugby. Leider ohne großen Erfolg, wie auch der Mannschaftskapitän Francois Pienaar (Matt Damon) feststellen muss: Die "Böcke" taumeln von Niederlage zu Niederlage, ausgerechnet vor der Rugby-Weltmeisterschaft im eigenen Land. Das findet Mandela - dargestellt von dem großartigen Morgan Freeman, der das Pech hat niemals an die Ausstrahlung des größten Mannes des afrikanischen Kontinent heranzureichen - ziemlich ärgerlich. Er braucht einen Sieg, um der Nation zu zeigen: Wir können es, Schwarze und Weiße gemeinsam, wir können gewinnen, ein ganz neues Land sogar. Also mischt sich der neue Präsident Südafrikas in die Niederungen des Sports, um Höheres zu erreichen.

Mandela lädt den Kapitän des Rugby-Teams ein und redet mit ihm über Inspiration, jenes Mittel der Selbstheilung, das ihn die lange Zeit als Gefangener auf Robben Island hat überleben lassen. Ab diesem Tag wird der mögliche Sieg der Mannschaft zum nötigen Sieg des Landes erklärt, und wer immer über Populismus schwätzt findet hier ein Lehrstück: Wie eine populäre Sache zu einer guten gewendet werden kann. Der Sport dient in diesem Fall nicht der Verkleisterung der Widersprüche, sondern deren Annäherung, in der Hoffnung ihre Aufhebung zu erreichen. Dem Zuschauer, dem manche Passagen als zu idyllisch erscheinen können, hilft die Musik derer sich Eastwood bedient: Es sind die Lieder und Tänze des kämpfenden ANC, auf denen der Film zu seinem Ziel schwimmt. Wer in der langen Zeit bis zum Sieg auf der Seite der unterdrückten aber nicht unterlegenen Farbigen war, der erinnert sich. Mit Stolz und Wehmut.

Seit Jahr und Tag werden in Hollywood Sportfilme produziert, die alle dem selben Muster folgen: Underdogs (ganze Mannschaften oder einzelne Spieler) verlieren ihre Spiele bis zu Lächerlichkeit, dann kommt der Umschwung (der neue Trainer, oder der bisher verkannte Spieler) und die Mannschaft nimmt den Kampf auf bis zum Sieg in der jeweiligen Liga. Die Moral ist immer die selbe: Man muss nur wollen, dann ist der Triumph unser. Das machen die Amerikaner sehr routiniert und, wenn man Sportfilme mag, hat das auch eine gewissen Spannung. Eastwood erweitert in "Invictus - Unbezwungen" dieses Schema: Die gesamte Gesellschaft wird zum Spielfeld und die sozialen Reflexe spiegeln sich in den Protagonisten wieder. Die unangenehm burische Famile des Mannschaftskapitäns entwickelt ein schlichtes Begreifen: Tatsächlich ist ihr schwarzes Dienstmädchen mehr als ein Möbel. Die weißen Klötze der Security, nach deren Familien sich Mandela angelegentlich erkundigt, beginnen den Präsidenten zu bewundern, die Rugby-Mannschaft fängt an das "Lied der Terroristen", die neue Nationalhymne Südafrikas zu lernen und das wirklich großartige ist: All das ist wahr.

Im Juni/Juli dieses Jahres findet in Südafrika wieder eine Weltmeisterschaft statt: Die im Fußball. Ob sie die schweren sozialen Probleme des Landes, die andauernde Spaltung in Arm und Reich, überwinden kann, ist fraglich. Zudem ist der jetzige Präsident nicht Nelson Mandela, jene Ausnahmepersönlichkeit, wie sie die Geschichte an ihren Schnittkanten selten genug hervorbringt. Aber wenn es dem Fußball gelänge, der Nation für ein paar Wochen den Mut zu weiteren Veränderungen zu geben, wenn aus einer temporären Begeisterung dem Land neue Kräfte zuwachsen würden, wäre das schon eine gewaltige Leistung für eine schöne Nebensache wie den Fußball. Eatswoods Film weist nachdrücklich auf diese Möglichkeit hin. Alleine das ist bereits ein Verdienst.

Der Film kommt am 18. Februar in die Kinos.