They hurt you at home and they hit you at school
They hate you if you´r clever and they despise a fool
Till you're so crazy you can't follow their rules
A working class hero is something to be
A working class hero is something to be
John Lennon, Working Class Hero, 1970
Es gab sie, die Arbeiterklasse, zumindest John Lennon kannte sie noch. Und während in der ver- und zerstreuten Linken zuweilen vom Verschwinden der Klasse geredet, zumindest aber ihre Tauglichkeit zur Trägerin von Revolution stark angezweifelt wird, wissen Dietmar Dath und Barbara Kirchner mit Lenin, dass sie eine Art "Elite im Wartestand" ist. Und in ihrem Buch "Der Implex" hoffen Sie, "dass von Eliten in jeder Klassengesellschaft einige Bedrohungen ausgehen, die der schönste Aufstand nicht mit sich bringt." Fröhlich setzen die Autoren auf eine revolutionäre Zukunft, unbekümmert und die Debattenmode nicht achtend, zitieren sie Marx & Engels als kennten sie die beiden persönlich, und auch Lenin, der in den vergangenen zwei Jahrzehnten zum angeblichen Verursacher des Stalinismus mutierte, hat im Setzkasten der Autoren einen Platz.
Der "Implex" ist ein langes Plädoyer für die radikale Änderung einer Gesellschaft, die mit einem "positivistisch lackierten Raubtiernihilismus postaufgeklärter Bioliberaler, die das Marktgeschehen um Angebot und Nachfrage mit dem evolutionären Selektionsdruck unter Pflanzen und Tieren verwechseln" einen rigiden Schluss machen sollte. Dabei entdecken die Autoren die "Lumpenliberalen", sprechen klar und deutlich von der Ich-AG-Lüge, von einer verkarsteten Medien-und Kulturlandschaft und von Lohndrückerei und Tagelöhnerei, wo es doch alles vornehm "Geringverdiener" heißen sollte oder "Ein-Euro-Jobber". Es muss so etwas wie ein Wutstau sein, der aus ihnen herausbricht, wenn sie wortreich Kulturerscheinungen wie jene anmerken, dass selbst "so ein renitenter Kopf wie Rio Reiser" das Arbeitereinheitslied gegen den Traum "König von Deutschland" sein zu wollen eingetauscht hat.
Auf dem Weg zur Änderung sehen Dath und Kirchner Menschen, die im und vom Müll leben, bemerken hellwach unerträgliche Arbeitsbedingungen und finden Frauen, die in immer noch existierenden Klassenkämpfen auftreten. Zumal der Beginn des Buches, in dem die Autoren klug anmerken, dass jede `Freiheit´ kollektive Produktion voraussetzt und daher die `Gleichheit´ ihr ebenbürtig gegenübersteht, kommt wie eine Rückkehr zur Arbeiterbewegung daher: Das Buch kennt noch Viktor Agartz, den marxistisch inspirierten Sozialdemokraten, der wegen "Ostkontakten" aus seiner Partei flog und es erinnert noch an den 114 Tage dauernden Streik der Metallarbeiter in Schleswig Holstein in den Jahren 1956/57, ein Streik, der für die junge Bundesrepublik prägend war.
Doch die Autoren wissen zu viel: Kaum eine linke Regung und Strömung des letzten Jahrhunderts wird ausgelassen, kaum ein Feld der Sozialwissenschaften und der Philosophie bleibt unbeackert. Es gibt wunderbare Wiederentdeckungen, wie den vergeblichen Aufruf von Hermann L. Gremliza, die SED solle am Ende der DDR ihre Grenzen für die Verfolgten aus aller Welt öffnen und die Dokumentation des gewundenen Austritts von Philipp Reemtsma aus der linken Bewegung, als er während des Irak-Krieges zu entdecken glaubte, dass keine Parteinahme mehr möglich sei. Aber es gibt auch Satzhürden über 19 Druckzeilen und solche wie jene Sprachverdunkelung, die eine "Eskamontierung des Vermittlungscharakters des Technischen nicht in Refikationen oder Hypostasen" sehen will. Aber vielleicht bin ich ja auch nur nicht ausreichend gebildet für ein Buch, das aufmerksam und amüsiert eine Anekdote rund um den Rolling Stone Keith Richard zitiert. Auf den Beatles-Titel "All you need ist love" angesprochen, soll er gesagt haben: "Oh yeah? Try paying the fuckin´ rent with it". In dieser Gegend, vermute ich, sehen die Autoren den Kommunismus angesiedelt.