Nach NSA-Skandal und Koalitionsverhandlungen gibt es kaum noch etwas, das einen echt aufregen könnte. Sind da noch Steigerungen möglich? Aber hallo! Wie jedes Jahr, bevor es zu Neige geht, steht wieder ein Weltuntergang bevor. Diesmal ein Komet. Der heißt ISON, der Gleichgültige. Als wär´s die ultimative Erlösung, auf die man sich freuen könnte oder sollte. Weil schlimmer als Weltuntergang ginge nicht mehr, das wäre das Letzte, wovor man sich noch fürchten müsste, oder gar drauf hoffen dürfte. Mit einemmal wären alle irdischen Probleme auf Schlagzeilengröße zusammen geschrumpft, wenn ein Komet auftauchte, der sie verdampfen ließe zu Sternenstaub. Nachdem es letztes Jahr nicht geklappt hat mit dem Maya-Kalender, muss dieses Jahr etwas Handfestes her. Denn die Endzeit-Propheten lassen nicht locker: Sie wollen partout nicht einsehen, dass die Menschheit die Suppe, die sie anrichtet oder sich servieren lässt, wohl oder übel selbst wird auslöffeln müssen. Auch wenn sie fast niemandem schmeckt.
Zu schön der Gedanke, sie einfach angewidert stehen und kalt werden lassen zu können und zur ultimativen Nachspeise überzugehen, die man, kaum aufgetragen, auch schon nicht mehr zu Ende löffeln dürfte. Denn so ein Weltuntergang geht blitzschnell, wenn er von einem Kometen herrührt. Der kleine Kerl, der schwer berechenbare ISON rast mit teuflischer Geschwindigkeit gleichmütig durchs All. Letztes Jahr erst entdeckt als bleicher Fleck im Sternzeichen Krebs kommt er in unser Sonnensystem geschossen als Künder seiner letzten Tage. Denn es wird vor allem um ihn gehen, den 4 km dicken Brocken aus Staub und Eis. Genau am 28. November soll er der Sonne am nächsten kommen, so auf ungefähr auf 1 Million Kilometer, oder anders ausgedrückt: 1 Milliarde Meter, sehr knapp astronomisch bemessen.
Nur schlappe sechzig Millionen Kilometer näher an der Erde vorbei, und aus wär´s mit der Welt, wie wir sie kennen. "Ein Katzensprung im Weltall", wusste "Die Welt" zu bedenken. Aber auch: "Ein Spiel mit dem Feuer", denn sie weiß genau, wie es zugeht in der Welt: Da spielt ein Schock Millionen kaum noch eine Rolle, wo´s ums Verbrennen von zig Milliarden geht. So weit weg von der Erde und doch so viel näher an der Sonne entscheidet sich noch vor dem Advent, ob der migrantische Gelegenheits-Irrläufer aus der Oortschen Wolke im gigantischen Gravitationsfeld unseres Zentralgestirns eingesaugt zerbirst und in zerstiebenden Brocken in den brodelnden Kernfusions-Ofen plumpsend verglüht oder mit einem hundert Millionen Kilometer langen Schweif vorbei fliegend die Kurve kratzt, so als ob er der Schwerkraft eine lange Nase drehen wolle. Die könnten wir dann vielleicht sogar bei Tageslicht mit bloßem Auge sehen, falls die Wolkendecke mal aufreißt über der Trübsal des irdischen Jammertals.
So kurz vor Weihnachten macht sich ein leuchtendes Himmelsobjekt besonders gut. Vielleicht wird irgendwo wieder ein Religionsstifter geboren. Oder es zeigt sich doch noch das Heilige Spaghettimonster, mit viel Knoblauch und Parmesan. Allen Menschen ein Wohlgefallen, die guten Willens sind und gern zum Italiener gehen! Aber was hat das um Himmels Willen mit Weltuntergang zu tun? Alles und Nichts. Weltuntergänge waren bisher noch immer irreal, sonst könnte darüber nie berichtet werden. Das Erscheinen von Kometen galt schon immer als Warnzeichen des Himmels, als düsterer Vorbote für Katastrophen, als Menetekel des Grauens: Kriege, Seuchen, Erdbeben, was halt gerade los ging. Feuersbrünste, Zahlungsbilanz-Defizite, je nachdem. Dass die Freiheitsstatue von ihrem hohen Sockel herabstieg, die erlöschende Fackel beiseite legend eine zwangsweise Tea-Party nehmen musste aus der Thermoskanne, und die Fähre eingestellt wurde, damit ihr niemand zu nahe käme und mitleidig ein paar Cent in ihren abgesetzten Strahlenkranz werfe, das gab es schon öfters. Aber eben ohne diese sinnfällige Kometen-Koinzidenz. Diesmal fällt das auch noch zusammen mit den Koalitionsverhandlungen in Deutschland, die genau bis dahin andauern sollen. Weiah! Da käme doch ein barmherziger Weltuntergang einer fast unausweichlichen GroKo gerade noch gnädig zuvor, oder? Aber so kleinkariert politisch denken Apokalyptiker gar nicht.
Ihnen geht´s um´s Kosmische, das bisweilen zum Komischen verkommt. 1910 war so ein Datum, als die Erde den Schweif des Halleyschen Kometen kreuzte wie so ungefähr alle 76 Jahre. Den hatten einige Wissenschaftler analysiert und Blausäure attestiert. Daraufhin kauften sich die Leute in Panik massenhaft Gasmasken, um für ihre täglich abgehaltenen Bittgottesdienste gewappnet zu sein. In den USA war das ein Riesen-Hype und geniales Geschäft. Vielleicht bringt´s diesmal auch was; ein Sonnenbrillen-Boom sollte schon herausspringen dabei. Man will doch nicht geblendet werden, wenn´s auf der Sonne einschlägt.
Im Internet wird gemunkelt, dass ISON von zwei zigarrenförmigen Flugobjekten begleitet wird. Vermutlich haben die Untergangs-Experten das falsche Zeug geraucht. Es soll aber eindeutige, wenn auch geheime Videoaufnahmen davon geben, wird im englisch-sprachigen Netz beteuert. UFO-Gläubige vermuten indes, dass der Komet nur zur Tarnung als Komet geführt wird, in Wirklichkeit aber ein Raumschiff sei, mit Aliens, die freundlichen Kontakt zur Erde suchen, huaaah! Nicht auszudenken.
Es gibt aber auch noch weit düsterere Prognosen: Ison sei jener fiesemiese Himmelskörper, der in der Offenbarung des Johannes im achten Kapitel erwähnt wird: "Und der dritte Engel posaunte (Siegmar Gabriel?), und es fiel ein großer Stern vom Himmel, der brannte wie eine Fackel und fiel auf den dritten Teil der Wasserströme und über die Wasserbrunnen. Und der Name des Sterns heißt Wermut. Und der dritte Teil der Wasser ward Wermut, und viele Menschen starben von den Wassern, weil sie waren so bitter geworden." Nur die Alkoholiker verendeten nicht, denn in ihren Gaumen war es Vermouth und Absinth, möchte man ergänzen. Noch abstruser ist der hypothetische Planet Nibiru, der letztes Jahr schon versagt hat. Diesmal soll er sein Werk verrichten. Immer, wenn er der Erde zu nahe kommt, gibt es Katastrophen. Und diesmal muss der Komet als Planet X herhalten: ISON ist Nibiru, klar? Klingt ja ähnlich. Böse, böse!
Klarer Beweis: Der Vorname eines der beiden Entdecker von ISON lautet: Artyom Nowtischonok, und Artyom kommt von Artemisios, was lateinisch nichts anderes als Wermut heißt. Und, weiterer Beweis: Kislovodsk, die Stadt im Kaukasus, in der das Teleskop "International Scientific Optical Network", kurz ISON, stand, mit dem der Komet erstmals gesichtet wurde, heißt übersetzt "Saures Wasser", dass das nur mal klar ist! Ob die apokalyptischen Restwasserlachen dereinst sauer oder bitter schmecken, dürfte reine Geschmacksfrage bleiben. Egal! Niemand würde den Probiertest gemacht haben, bevor es soweit wäre. Danach fänden keine weiteren Gourmet-Führer mehr genügend Absatz.
Wünschen wir dem Ison, dem "Gleichling", dem eh alles Wurscht zu sein scheint, ein langes Kometenleben auf nimmer Wiedersehen. Wer weiß, was eine Sonnenkollission protuberanzenmäßig für Auswirkungen hätte!? Kratz die Kurve, ISON, und lass die Astronomen Dich analysieren! Wir wissen ja, dass die irdische Kacke weiterdampft.