In seinem hochaktuellen Film „Zeit für Legenden – Die unglaubliche Geschichte des Jesse Owens“, zeigt Regisseur Stephen Hopkins wie der alltägliche Rassismus der 1930er Jahren nicht nur in den USA grassierte, sondern besonders im Nazi-Deutschland zu Hitlers Zeit, der mit der Olympiade 1936 in Berlin seine idiotische These beweisen wollte, dass die arische Rasse der schwarzen und der jüdischen allein schon im Sport bei weitem überlegen sei. Jesse Owens Trainer soll dazu gesagt haben: „Es geht hier um schnell oder langsam und nicht um schwarz oder weiß“.
Pünktlich zur bevorstehenden Olympiade in Brasilien und pünktlich zur 80-Jahr-Feier der Jesse-Owens-Rekorde hat Stephen Hopkins für seinen Film ein außergewöhnlich starkes Schauspieler-Ensemble aufstellen können: Stephan James, der Jesse Owens spielt, ist ein gebürtiger Kanadier, der bereits mehrmals real existierende Persönlichkeiten aus der afro-amerikanischen Geschichte dargestellt hat. So zum Beispiel im Film „Selma“, dem Drama über Martin Luther Kings Protestmärsche gegen Rassentrennung in Selma, Alabama, in dem er den studentischen Aktivisten John Lewis spielt, der später zum Kongressabgeordneten wird. Der Schauspieler Stephan James, der auch als Rap Musiker auftritt und sich in vielen Sportarten profiliert hat, überzeugt hervorragend in der Rolle des Ausnahme-Talents Jesse Owens.
In „Zeit für Legenden“ wird er zum Spielball zwischen zwei mächtigen Kontrahenten des Olympischen Komitees der USA, die von den beiden Oscar-Preisträgern William Hurt und Jeremy Irons gespielt werden. Auf dem Rücken von Jesse Owens fechten diese beiden ihre Ansichten und Vermutungen zu Hitler und dessen Propagandaminister Goebbels aus. Hurt als Präsident des Komitees Jeremiah Mahoney, spricht sich offen für einen Boykott der Spiele aus: Man dürfe Hitler mit einer Teilnahme keine indirekte Legitimation für seine Taten und seine Politik geben, während Irons in der Rolle des Immobilienmogul Avery Brundage (späterer Präsident des Internationalen Olympischen Komitees) die Meinung vertritt, die USA könnten gerade durch die Teilnahme an den Spielen am effektivsten Kritik an den Nazis üben und sie mit überragenden Leistungen, wie die des Schwarzen Jesse Owens, demütigen.
Der mächtige Immobilien-Tycoon ist es dann, der in Berlin Hitlers Propaganda-Minister Joseph Goebbels trifft, der genau weiß, dass ein Boykott der mächtigen Sportnation USA eine zu große negative Symbolkraft hätte. Denn Nazi-Deutschland soll sich mit der Olympiade 1936 der ganzen Welt als Musterstaat präsentieren. Und er weiß auch, dass es eigentlich kein Zurückmehr gibt zumal Leni Riefenstahl mit ihrem Team – zu dem allein 47 Kameraleute gehören – schon mit Feuereifer dabei ist, ihren Dokumentarfilm vorzubereiten, der die Geschichte der Kino-Ästhetik revolutionieren soll.
Als undurchsichtiger und abgefeimter Propaganda-Minister Goebbels überrascht der 41-jährige Berliner Schauspieler Barnaby Metschurat. Er legt seine Rolle weder bedrohlich gruselig noch als übertriebener „Hinkefuß“ an, sondern zeigt sich souverän, aalglatt und verschlagen mit zynischer Arroganz.
Die zweite wichtige Rolle eines Deutschen spielt David Kross, der meist im Zusammenhang mit dem Film „Der Vorleser“ von 2008 (neben Kate Winslet, Ralph Fiennes und Bruno Ganz) genannt wird. Doch im Grunde genommen überzeugte er schon 2006 als 16-jähriger Hauptdarsteller in Detlev Bucks Film „Knallhart“. In „Zeit für Legenden“ gibt Kross den deutschen Weitsprung-Champion Carl Ludwig „Luz“ Long, der auf Führerbefehl die Überlegenheit der arischen Rasse gegenüber seinem Kontrahenten Owens beweisen sollte.
Koss hat als deutsche Weitsprung-Hoffnung „Luz“ Long eine der anrührendsten Szenen im Film als er Owens (Stephan James), der bei seinen Sprüngen wiederholt den Absprung verpatzt, zur besseren Orientierung sein eigenes zusammengefaltetes weißes Handtuch kurz vor den Absprungbalken legt – so wie er es vorher bei Owens gesehen hat – und dadurch seinem Konkurrenten einen Sieg, mit 8,13 Metern, ermöglicht und sich selbst mit einer Silbermedaille im Weitsprung begnügen muss.
Der Titel des Film „Zeit für Legenden“ klingt wenig spektakulär, hat aber dafür eine doppelte Bedeutung: Es ist die Zeit für die Sportler-Legende Jesse Owens und die Zeit der Nazis für Legenden im Sinne von Unwahrheiten. Und leider ist diese alte Zeit-Geschichte von vor 80 Jahren wieder oder immer noch hochaktuell und wahr weil Schwarze, besonders in den USA, immer noch nicht mit den Weißen gleichgestellt leben können.
Der Film kommt jetzt am Donnerstag (28. Juli 2016) ins Kino.