"Jene Frauen, sagt der Prophet, "die ihr für sexuellen Genuss benutzt, zahlt ihnen ihr Brautgeld als Lohn." Und was der Prophet sagt, das wird gemacht, jedenfalls im Iran, in dem der Film "Der Bazar der Geschlechter" etwas dokumentiert, was weitgehend unbekannt ist: Die Ehe auf Zeit. Sie kann von einer Stunde bis zu 99 Jahren dauern und, wie Mohammed es vor Jahrhunderten festgelegt hat, sie kostet Geld. Zugleich erinnert der Film daran, dass der außereheliche Geschlechtsverkehr im Iran mit der Steinigung bestraft wird. Auch wenn der Prophet diese Strafe nicht hat voraussehen können, hat der doch mit der Zeitehe, einer populären Praxis der iranischen Schiiten, ein ziemliches Schlupfloch für so etwas ähnliches wie die legale Prostitution gelassen, die ansonsten verboten ist. Und dieses Geschäft besiegelt üblicherweise der jeweilige Mullah gegen eine geringe Gebühr.
Die Filmemacherin Sudabeh Mortezai ist - ich bitte um Vergebung Frau Mortezai - ein genialisches Schlitzohr. Mit dem unschuldigen Gestus der reinen Beobachterin lässt sie Mullah um Mullah vor der Kamera allgemeinen Unsinn erzählen, von jenem, dass die Zeitehe gesund sei, bis zu dem, dass Frauen im Iran alles werden können, gern auch Piloten und Physiker, wenn nur ihr Haar ordentlich bedeckt ist. Mortezai erforscht das Phänomen der Zeit- oder Lust-Ehe scheinbar wie ein Wissenschaftler sich dem Gegenstand seiner Arbeit nähert, völlig ungerührt schildert sie was ist und lässt so die Wirklichkeit sich selbst karikieren. So zum Beispiel, wenn sie den Großayatollah Gerami erzählen lässt, dass der Schah sowohl die Zeitehe als auch die Polygamie hat verbieten lassen, während die Prostitution legal war. Der Ayatollah weiß deshalb zur temporären Lustehe zu sagen: "Es geht um den moralischen Bestand der Gesellschaft."
Der Film arbeitet mit zwei wesentlichen männlichen Protagonisten. Der eine ist ein Taxifahrer, der schon mal diese oder jene Zeitehe eingegangen ist und auch noch gern weiter als Single leben würden, wenn die iranische Gesellschaft nicht so sehr auf ordentlichen Ehen bestünde: Singles bekommen einfach keine Wohnung. Der andere ist ein junger, schiitischer Kleriker, der dem Film als Reiseführer durch die religiöse Welt des Iran dient und dessen Dialog mit dem Taxifahrer darin gipfelt, dass er versucht, eine Antwort auf die Frage zu finden, ob und wie sich die leichtbekleideten Frauen des Westens nach ihrem Tode mit den gründlich verhüllten Damen des Iran im Paradies treffen. Doch auch er sieht das iranische Dilemma ganz klar: Die jungen Männer wollen vor der Ehe sexuelle Erfahrungen haben, aber dann bitte eine Jungfrau heiraten.
Es ist eine ganze Gruppe von Frauen, die dem Film das wesentliche Gepräge gibt: Geschiedene, verwitwete, solche die schon mehrere kurze Zeitehen eingegangen sind und auch eine, die schon seit Jahren in einer Zeitehe lebt: Denn der Mann, mit dem sie seit acht Jahren zusammen ist, würde nie eine Geschiedene "richtig" heiraten. Hinter allen Zipfeln des Chador lugt die Doppelmoral hervor und in den Gesprächen der Frauen wird die ganze Bandbreite dieser Moral deutlich: Sie reicht vom Umweg zur puren Lust bis zum klassischen, auch im Westen üblichen Besitzverhältnis des Mannes an den Frauen. Überraschend ist der Pragmatismus der schiitischen Geistlichkeit in sexuellen Fragen und überragend sind Methode, Nähe und Bilder dieser Arbeit der Filmemacherin: Unbedingt ansehen!
Der Film kommt am 4. 8. in die Kinos