Da war doch was? Vor gut einem Jahr hatte die Vorsitzende der Linkspartei, Gesine Lötzsch, gewagt, ein wenig über den Begriff des KOMMUNISMUS nachzudenken. Und ein Sturm des gespielten Entsetzens, der hochroten Empörung und der unsittlichen Entrüstung toste durch das Land. Heute legt der Berliner Wolfgang Wippermann sein Buch "Heilige Hetzjagd" auf den Ladentisch und stellt kühl und leicht belustigt zur "Ideologiegeschichte des Antikommunismus" fest, dass die Ideologie heute noch funktioniert, obwohl es fast keine Kommunisten mehr gibt. Sieht man von den chinesischen Parteichefs ab, die mindestens jährlich von Frau Merkel untertänigst besucht werden. Und deren Besuche bei den "Kommunisten" kaum Lüftchen, geschweige denn Stürme in den deutschen Medien auslösen.

Doch vor die Erheiterung haben die Götter die Recherche gesetzt. Deshalb erinnert Wippermann an die "Communisten-Verschwörung", die 1853 ein preußischer Polizeidirektor erfunden hatte, der später zum ersten Chef eines deutschen Nachrichtendienstes aufstieg. Und der Autor erklärt, wie Marx das Fake der "Verschwörung" zur Verbreitung seiner Ideen genutzt hatte. Schnell kommt der Autor auf die Verquickung von Antikommunismus und Antisemitismus und liest sie beim Hofprediger Adolf Stoecker, der "jüdische Funktionäre" in der frühen SPD anprangert und fürchtete, dass die nun das Programm des "Juden Marx" verbreiten würden.

Wippermann findet das 1924 erschienene Buch mit dem wunderbare Titel "Der Bolschewismus von Moses bis Lenin", erinnert an den Begriff der "Jüdisch Bolschewistischen Weltverschwörung" und ordnet den "Kommissarsbefehl", der dem Mord an politischen Offizieren der Roten Armee eine ordentliche, deutsche Wehrmachts-Grundlage geben sollte, in die lange Line der Verbindung von Rassismus und Antikommunismus ein. Und er merkt bitter an, dass dem ideologischen Vernichtungskrieg der Deutschen im Osten bisher noch kein offizielles Schuldbekenntnis gefolgt ist.

Dass der Antikommunismus eine blutige Ideologie war, belegt Wippermann auch mit dem spanischen Bürgerkrieg, in dessen Ergebnis bis heute in Spanien 100.000 Ermordete namenlos in Massengräbern verscharrt liegen. Ob in Chile, in Südafrika oder Italien: Unter der Flagge des Antikommunismus wurde der Mord an Menschen zur gerechten, wenn nicht gar heiligen Sache verklärt, selbst wenn es gar keine Kommunisten waren, die man verfolgte. Das gilt ganz besonders für die "Saison der Hackmesser", jenem Gemetzel im Indonesien des Jahres 1965, dem wahrscheinlich eine halbe Million Menschen zum Opfer fiel unter denen kaum Kommunisten waren. Der Massenmord diente der Inthronisierung des späteren Diktators Suharto, der ein guter Freund des Westens wurde und dessen Verbrechen bis heute keinen internationalen Gerichtshof beschäftigen.

Wolfgang Wippermanns Buch ist verdienstvoll: Mit einer Fülle von Fakten entlarvt er den Antikommunismus als verbrecherische Ideologie, als ein Instrument zu Herrschaftsausübung. Zwei Themenfelder hätten in dieser Fülle noch Platz finden sollen. Zum einen hätte Wippermann gern untersuchen dürfen, wie es gelungen ist ausgerechnet dem jüngsten Objekt des deutschen Antikommunismus, der Linkspartei, auch noch Antisemitismus anzuhängen. Zum anderen wäre es ein historisches Verdienst des Autor gewesen zu analysieren, wie es geklappt hat, die Bevölkerung der gewesenen DDR unter den schrecklichen Generalverdacht des Kommunismus zu stellen, obwohl es dort weder Kommunismus noch eine kommunistische Partei gab. Aber Wippermann wird ja noch mehr Bücher schreiben.