Eines darf man vom Philosophen Adorno getrost behaupten: Er war kein Jurist. Wenn zwei Juristen einen Satz des Wissenschaftlers - "Zart wäre das Gröbste" - zum Untertitel ihres Buches wählen, ein Zitat aus einer Arbeit, die sich mit "Entwürfen des Sozialismus" auseinandersetzte, wecken sie die Erwartungshaltung auf eine wie auch immer geartete sozialistische Position. Doch die Autoren Andreas Fischer-Lescano und Kolja Möller, die mit ihrem Buch "Der Kampf um globale soziale Rechte" eine Analyse der internationalen Rechtsverhältnisse des Sozialen vorlegen, sind vom sozialen Umsturz der Verhältnisse weit entfern. Sie betreiben ein "rechtspolitisches Projekt".

Im Buch finden sich wunderbar klare Stellen: "Das Recht errichtet einen Schleier der Gleichheit und verbirgt so die realen sozio-ökonomischen Ungleichheiten", schreiben die beiden Autoren und verschärfen ihren Vorwurf gegen das herrschende Recht noch weiter, wenn sie es als einen "liberalen Deckmantel" beschreiben, der die "globalen Gewaltverhältnisse" bedecke. Auch ist ihnen der Hunger in der Welt als eine nach Änderung schreiende Ungerechtigkeit ebenso bewusst, wie der Landraub internationaler Konzerne, die in den armen Ländern Nahrungsmittel und Rohstoffe anbauen, um sie vor der Nase der Hungernden in die Länder der Reichen zu transportieren. Doch schon bei der Beschreibung der Kräfte, die den Ausbeutungsprozess zu verantworten haben, gerät das Buch ins Stocken: Es sieht vor allem "strukturelle Problemlagen" die zu "Systemkrisen geführt haben" sollen.

Vollends rechtsverträumt geraten den Autoren die Alternativen zur wirklichen Rechtlosigkeit der schwachen Völkermehrheit gegenüber der Macht der wenigen Reichen: Es könne eine Gegenmacht entstehen, glauben sie, gäbe es denn "globale soziale Rechte", die "rechtspolitischen Arenen" in denen Kämpfe um das soziale Recht möglich seien, wären vielfältig. Es bedarf keiner juristischen Bildung, wie sie Andreas-Fischer Lescano (Professor für öffentliches Recht) und Kolja Möller (Mitarbeiter am Forschungsbereich Staatlichkeit im Wandel) fraglos aufweisen, um die Weltunrechtsverhältnisse zu erkennen. Es reicht bereits zu wissen, dass die USA Entscheidungen des Internationalen Gerichtshof nicht anerkennen und den US-Behörden eine Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof verboten ist. Bei solchen Machtverhältnissen sind die juridischen Gladiatoren in den rechtspolitischen Arenen schon früh zum Löwenfutter verurteilt.

"Der Kampf um soziale Rechte und Europa", sei mit einer "Vitalisierung der europäischen Demokratie verbunden", ist im Buch zu lesen. Und dann wartet der Leser gern darauf, dass die Autoren sich über die Reanimation der europäischen Verfassung auslassen. Aber es langt kaum zur Kritik am marktkonformen Vertrag von Lissabon, von einem Verfassungskonvent, um den Europäern eine neue Verfassung zu geben in der dann soziale Rechte verankert wären ist ebenso wenig zu lesen, wie von einer Volksbstimmung über die europäische Verfassung. Statt dessen wird man mit der These konfrontiert, dass die "gesellschaftlichen Emanzipationsprozesse" erst denkbar seien, "wenn das Demokratieprinzip auf die Weltgesellschaft ausgeweitet wird". Dass es immer erst die Emanzipationsbewegung, die Revolution war, die Voraussetzungen für die jeweils mögliche Stufe der Demokratie geschaffen hat, ist in den Geschichtsbüchern nachzulesen. So bleibt das rechtspolitische Projekt ohne gesellschaftliche Grundierung ziemlich akademisch.