Persien? Da war doch was, damals, der Schah und Soraya, der Schah und Farah Dibah und überhaupt: Die Frauen in Persien waren schön und frei, das hat sich, glaubt man dem westlichen Medienkonsens, erst mit den Mullahs geändert: Den Tschador haben sie erfunden und die Unterdrückung der Frau, ach, sie haben den ganzen Männer-Zwang entwickelt, mit denen die Frauen im Allgemeinen und die iranischen Frauen im Besonderen unterdrückt werden. Mit diesem Urteil macht ausgerechnet eine Frau Schluss, die begnadete Shahrnush Parsipur, die schon die Gefängnisse des Schahs kannte, selbst dreimal die Knäste der Islamischen Republik von innen sah und deren Roman "Frauen ohne Männer" im Teheran des Jahres 1990 verboten wurde: Wenn ich Mullah gewesen wäre, hätte ich diesen poetischen Angriff auf die Männerherrschaft natürlich auch verboten, wer will als Mullah schon in einen Spiegel blicken, der ihn ohne Hosen zeigt?
Es geht den fünf Frauen im Teheran der frühen 50er Jahre ein wenig so wie den Bremer Stadtmusikanten: Die eine, immer noch nicht verheiratet, gerät in einer Männergesellschaft ohne Mann zur ewigen Tante. Die andere himmelt einen nur scheinbar verfügbaren Mann an, der dann eine sehr dumme, sehr junge andere Frau heiratet. Mit der dritten, die von ihrem Bruder ermordet wird weil sie allein (!) in der Stadt spazieren war, aber dem Mord durch ihre Auferstehung trotzt, beginnt der fantastische Roman im scharfen Licht des Surrealismus zu leuchten. Die nächste wiederum, verliebt in den falschen Mann, bringt den Gatten versehentlich um. Erst die Fünfte, eine Hure, köpft alle Männer: Zwar schläft sie fleißig mit ihnen, doch ihre Gesichter kann sie nicht mehr erkennen. Sie alle passen nicht mehr in eine von Männern dominierte Gesellschaft. Und weil sie `etwas besseres als den Tod überall´ finden, verlassen sie die Stadt und gründen eher zufällig in einem alten Haus auf dem Land eine "Anti-Bruder-Gesellschaft".
Shahrnush Parsipur vereint den Zauber orientalischer Märchen mit dem ruppigen Ton einer Gesellschaft, die in ihren Frauen Anhängsel der Männer sieht: Mal ist die Sprache brutal, mal ist sie lyrisch, mal bildet der Roman die schlichte, schwer erträgliche Wirklichkeit ab, dann wieder erhebt sich die Erzählung in die flüchtigen Gegenden der Fantasie, dorthin, wo Frauen selbst in einer grausig patriarchalischen Struktur überleben können. Draussen, im Iran der 50er Jahre, mag der Sturz des Präsidenten Mossadegh den englischen und amerikanischen Geheimdienst fast 300.000 Dollar kosten, um dem Schah zur Macht zu verhelfen. Drinnen, im Haus der Frauen, wo sie Frauen ihre eigene Welt leben, kümmert es niemanden: Es wird ihre Lage, trotz aller Illumination des Pfauenthrones durch die bunten, westlichen Blätter nicht ändern. Es werden die Frauen selbst sein, das wissen auch die Mullahs, die sich und ihr Land ändern werden. Am Ende aller Fluchten wird die Wirklichkeit sich ihrer Vorstellungskraft beugen müssen. Und wir werden uns erinnern, dass der Roman "Frauen ohne Männer" seinen Beitrag dazu geleistet hat.