Mittwoch, 17. April 2012

Das aktuelle Szenario: die Wahl eines neuen Staatspräsidenten steht an, der bisherige, Giorgio Napolitano, hat eine erneute Kandidatur abgelehnt, mit Hinweis auf sein Alter - er ist 87 - wolle er nicht weitere sieben Jahre dieses Amt ausüben.
Seither geistern durch die Medien die Namen von möglichen Kandidaten (und, man staune: auch Kandidatinnen), ins Spiel gebracht vom Centrosinistra, dem PD (Partito Democratico) unterstützt von ein paar kleineren Gruppen, vom Centrodestra (Berlusconis PDL und ebenfalls ein paar kleinere Parteien) und auch vom Movimento Cinque Stelle (M5S) des Ex-Kabarettisten Beppe Grillo. Eine Einigung auf einen aussichtsreichen Kandidaten gab es nicht, ebensowenig wie bei dem vorangegangenen Versuch, eine Regierung zu bilden. Das Linksbündnis unter Führung von Pier Luigi Bersani, PD-Chef, hatte im Februar 2013 bei den Wahlen 29,55 % der Stimmen bekommen, das Rechtsbündnis unter Führung von Berlusconi überraschende 29,18 % und Grillos Bewegung, ebenfalls überraschend, 25,55 %. Wahlbeteiligung: (im Vergleich niedrige) 75,2 %.

Auch jetzt, vor der Wahl des Staatspräsidenten, reden alle kakophonisch durcheinander, dass es ihnen nur und allein um das Wohl Italiens, seiner Bürger und seiner maroden Wirtschaft gehe. Aber die wirklichen jeweiligen Eigeninteressen verhindern eine Einigung.

Auch heute, an diesem Mittwoch, listet la Repubblica zum x-ten Mal die möglichen Bewerber auf, dazu den Wahlmodus: in den ersten drei Wahlgängen müssen zwei Drittel der 1007 "grandi elettori" dem Kandidaten die Stimme geben, also 672, im vierten Wahlgang genügt die einfache Mehrheit von 504 Stimmen.

Donnerstag, 18. April 2013

Ein Paukenschlag: PD-Chef Bersani schlägt Franco Marini vor (wer das ist und wofür er steht, sei hier dahingestellt), nach Zustimmung auch von Berlusconi, mit dem Bersani sich getroffen und verhandelt hat, was er zuvor immer strikt abgelehnt hatte. Die Folge: Empörungssturm im PD. Spaltung droht. Auch die Neugründung SEL (Sinistra, Ecologia, Libertà) des Nicchi Vendola lehnt Marini ab. Und das M5S von Beppe Grillo? Hat eine - umstrittene - Internet-Abstimmung durchgeführt, deren Sieger und folglich M5S-Kandidat: Stefano Rodotà (auch hier keine Details). An ihm halten die Grillini (übrigens bis zum Ende der Präsidentenwahl) unbeirrbar fest.
Um 10 Uhr beginnt der erste Wahlgang. Am Nachmittag der zweite. Danach ist Marini out, er war beide Male weit von der notwendigen Mehrheit entfernt. Dafür wurden unter anderem Stimmen abgegeben für: Benito Mussolini, Sofia Loren, den Fußballtrainer Trappatoni und den Pornostart Rocco Siffredi.

Freitag, 19. April 2013

Ein Alt-Demokrat könnte vielleicht denken, dass Bersani ein besonders raffiniertes Spiel betreibt: dass er vorhersieht, dass der mit Berlusconi abgesprochene Kandidat Marini durchfällt und er, Bersani, dann den "Todfeind" des Cavaliere, Romano Prodi, ins Rennen schickt und dass der dann zum Präsidenten gewählt wird... Aber nein, nein, 100mal nein! Bersani ist ein biederer, ein bisschen beschränkter Vertreter altsozialdemokratischen Denkens, so eine Art italienischer Rudi Scharping (was macht der eigentlich, wenn er nicht gerade vom Rad fällt oder mit seinem aktuellen Gspusi im Pool rumalbert???) Nein, auf so eine raffinierte Idee käme Bersani nie. Er verschätzt sich bloß dauernd: bei der Parlamentswahl hat er mit 10 - 15 % Vorsprung gerechnet; im Senat reicht es überhaupt nicht; mit seinem Vorschlag Marini hat er seinen PD gespalten. Was jetzt? Jetzt schlägt er, hilflos, vor: nehmen wir doch Prodi! Für den vierten Wahlgang. Benötigte Stimmen wie gesagt: 504. Erreichte Stimmen: 395... Ob Berlusconi vielleicht wieder ein paar Stimmen gekauft hat? So wie beim Sturz von Prodi damals 2008?
Das Chaos ist perfekt.

Samstag, 20. April 2013

Schlagzeilen in la Repubblica: "Desaster des PD. Bersani tritt zurück"; "Die Autopsie einer Partei"...
Und was jetzt? Zwischenbilanz (es ist noch eine Menge an weiterem Chaos zu erwarten): Die Demokratie in Italien, schon von Berlusconi (seit 1994 einflussreich - auch - im politischen Business, darunter vier Mal als Ministerpräsident) attackiert und korrumpiert (ein Beispiel: das neue Wahlrecht von 2005, das dem Sieger bei Wahlen automatisch die absolute Mehrheit zuschanzt), diese Demokratie liegt in Scherben. Eine Reparatur - unmöglich, mit diesem politischen Personal. Weit und breit keine Idee für etwas Neues. Auch von Beppe Grillo nicht: nur dagegen sein, reicht nicht. Abstimmungen per Internet? Klingt irgendwie demokratisch und gerecht - ist es aber nicht: ausgeschlossen sind alle, die keinen Zugang haben. Und was Hacker da so alles veranstalten können...
Ergebnis: Demokratie vorm Untergang. Oder nein: im Übergang. Trans-Demokratie...

Kurz vor 18.30 erreicht uns die Nachricht: Giorgio Napolitano hat sich zu einer erneuten Kandidatur bewegen lassen und wurde mit 738 Stimmen als Staatspräsident wiedergewählt.
Und jetzt??
Ja klar, er ist ein ehrenwerter Mann. Aber: er hat schon einmal die Regierung Monti eingesetzt. Und die hat dank ihrer - von den "starken" europäischen Staatslenkern, vor allem der deutschen Bundeskanzlerin geforderten - neoliberalen Politik (mit den üblichen Folgen) eine eindrucksvolle Bestätigung bei den Februarwahlen eingefahren: 10,56 %... Wen also beauftragt Napolitano mit der Regierungsbildung?
Nochmal Monti? Dann geht Italien ganz schnell den gleichen Weg wie Portugal, Spanien, Griechenland. Oder gibt der Ex-Goldman-Sachs-Mann plötzlich den europäischen Hugo Chavez...? (Verzeihung, kleiner Scherz)
Bersani? Ist weg von sämtlichen Fenstern. Oder hat der noch ein Hintertürchen?
Berlusconi? Der kriegt keine Mehrheit zusammen. (Wahrscheinlich nicht, jedenfalls - bei dem ist aber alles möglich. Sogar, dass er den PD-Leichnam als Mehrheitsbeschaffer in Teilen wiederbelebt). Grillo will gar nicht regieren (bis jetzt jedenfalls). Was bleibt dann?
Neuwahlen.

Sehr gut! Unsere Prognose: Wahlbeteiligung 51,8 %. M5S (Grillo) 41,5 %. Berlusconi/centrodestra 32 %. PD/centrosinistra 12 %. Monti 8,4 %. Alle übrigen 6,1 %.
Und dann? Übernimmt dann Napolitano auch noch - kommissarisch - das Amt des Ministerpräsidenten? In der italienischen galoppierenden Trans-Demokratie?

Quelle: http://www.der-transdemokrat.de/TransD1-2013.html