Fragmentarisch reihen sich Kolumnen, Geschichten und Gedichte aneinander hochpolitische und zugleich poetische, ironische aber selten sarkastische. In seinem neuen Buch »Du bist Deutschland? Ich bin einkaufen!« lässt Fritz Eckenga die Medienhighlights der letzten Jahre Revue passieren: Vom katholischen bis zum bundesrepublikanischen Machtwechsel, vom Spitzel auf der Suche nach Sozialsündern im Sinne des Hartz-IV Gesetztes bis zu vermeintlich identitätsstiftenden Kampagnen.
Der Autor und Kabarettist lebt in Dortmund. Neben dem Medienhickhack spürt er im tiefsten Ruhrpott den Wandel der einheimischen Gesellschaftsstrukturen auf und erzählt von denen, die »zum Beten nicht mehr in den SPD Ortsverein oder in die Gewerkschaftsversammlung, sondern ins Arbeitsamt oder Sozialamt gehen müssen.« Ja, Eckenga ist derweil melancholisch, dann wieder albern und noch schlimmer: äußerst selbstkritisch.
Das ein oder andere Problem scheint er mit Veränderungen zu haben: gerade wenn ihm am Reformationstag eine Horde von kindlichen Gruselgeistern vor seiner Haustür auflauert und ihm Süßigkeit abverlangt. Den ersten Schub der American Ghost Kids nimmt er gleich hart ran: »Verpisst euch, ihr Kürbisköpfe.« Warum eigentlich nicht Kürbisköppe, wie es der Ruhrpott Jargon vorsieht?
Wenn Eckenga sich dann der Schwerindustrie zuwendet wird es peinlich authentisch, sowohl sprachlich als auch inhaltlich. Dann ergeht er sich ganz im Leid einer untergehenden sozialdemokratischen Traditionsgesellschaft: Der Oppa erzählt dem Kurzen dann, wie et jewesen is, als der Jürgi, sein Sohn, und er aufe Zeche malocht haben, »und dann aber alle ab im Bett.«
Oder ab vorm Fernseher und Fußball gucken. Bundesliga oder Weltmeisterschaft. Das Gerede um den Wohnsitz des Nationaltrainers kann Eckenga nicht nachvollziehen. Immerhin hat Franz Beckenbauer, als er 1990 das deutsche Team trainierte, in Österreich gewohnt und zu der Zeit war »Österreich genauso Ausland wie Amerika.«
Vermischt sind die Ruhrpotthymnen, die von der »Leitkultur Schützenfest« bis zum Grillgelage reichen, mit medialen und politischen Persiflagen: Ob Angela Merkels Drohkulissengerede, mit der sie den amerikanischen Drang zur absoluten Weltherrschaft bejubelte oder dem »zutiefst protestantisch, weil lustfeindlich orientierten öffentlich-rechtlichen Strafsystems«, das Erste deutsche Fernsehen: Eckenga teilt aus und ihm darf man glauben, denn wer sich selbst so ehrlich zerrupft und bloßstellt, hat beste Referenzen, um andere zu verspotten.
Das »dutzende Deutschland« hat der Autor gefressen. Der »Penetranz, mit der den Insassen dieses Landes unaufgefordert angeblich existenziell wichtige Dringlichkeitslisten ins Dasein gerückt werden«, begegnet er mit dem zynischen Witz der Realität: Existenziell sei, dass man an der Supermarktkasse einen seriösen Eindruck, sprich ausreichend Zahlungsmittel hinterlässt. »Du bist Deutschland?« fragt er. »Ich bin einkaufen.
Eckengas humorvolles Buch ist Rückblick und Aussicht zugleich. Einige Passagen lesen sich wie verspielt formulierte politische Anklageschriften, inklusive Falllaufklärung. Eckenga schreibt über Menschen, über sich selbst, seine Nachbarn. Also über die Statisten »ohne die Klappe zu halten« wie er vermutlich kommentieren würde. Das macht Hoffnung für die Zukunft. Also Eckenga, bitte weiterhin Klappe weit aufreißen, vielleicht sind die Affen dann schnell tot.