In den 1990er Jahren machte im frisch beigetretenen Neufünfland ein Witz die Runde: Ein West-Huhn trifft ein verzweifeltes Ost-Schwein und schlägt ihm ein "joint venture" vor, das seine verloren gegangene Lebensperspektive wieder herstellen soll. Das Schwein ist interessiert, kann sich aber unter dem Begriff nichts vorstellen. "Ist doch einfach. Du bringst was ein, ich bringe was ein, wir verkaufen das Produkt und teilen uns den Gewinn", sagt das Huhn. "Und was sollen wir denn verkaufen?" "Für den Anfang dachte ich an Rührei mit Schinken", schlägt das Huhn vor.

Bis in die kirgisische Steppe ist der Witz offenbar nicht vorgedrungen, jedenfalls nicht in das Dorf Kok-Mojnok, in dem „Svet-Ake“ ("Der Dieb des Lichts") spielt, der neue Film des kirgisischen Regisseurs Aktan Arym Kubat, der unter dem Namen Aktan Abdikalikow mit "Beschkempir" 2005 den ersten Spielfilm des unabhängigen Kirgisien drehte. Die Titelfigur seines neuen Films ist ein freundlicher, etwas naiver Elektriker, der sich um die Stromanschlüsse im Dorf kümmert und den alle nur Svet-Ake ("Herr Licht") nennen. Die Proteste gegen Präsident Akajew, die bald zu seinem Sturz führen, bestimmen schon die Fernsehnachrichten, und weil der politische Umbruch den Aufschwung vorerst nur bei den Strompreisen gebracht hat, besorgt Herr Licht denen, die das nicht bezahlen können, ihr Licht auch mal durch raffinierte Manipulationen am Stromzähler - bis ihn das seinen Posten kostet. Aber im Verlust liegt die Chance zum Neuanfang! Ein windiger Jungunternehmer und Bürgermeister-Kandidat will Herrn Lichts alten Traum realisieren und die ganze Gegend in einen riesigen Windpark umbauen - als Joint Venture mit chinesischen Investoren…

Kubat selbst spielt den Herrn Licht als ehrliche Haut und braven Familienvater mit festen Vorstellungen von Gerechtigkeit und Moral. Er hat immer ein offenes Ohr für die Nöte seiner Mitmenschen, er liebt seine vier Töchter, auch wenn er sich lieber einen Sohn wünscht und dafür bei einem Experiment als "Blitzableiter" fast sein Leben verliert. Als im Gespräch beim Bürgermeister, seinem Freund Esen, beiläufig von Gemeinsinn die Rede ist, legt er die paar Bonbons, die er für seine Töchter aus der bereitgestellten Schale genommen hat, scheu wieder zurück. Svet-Ake ist, das wird immer offensichtlicher, nicht nur Herr Licht, sondern auch eine Lichtgestalt wie aus einer anderen, verlorenen Welt, nicht geschaffen für die neuen Ellbogenzeiten. Bei Bekzats großzügiger Bewirtung seiner chinesischen Geschäftspartner muss Herr Licht am Katzentisch sitzen, doch als einer der Gäste eine lokale Bauchtänzerin als erotisches Dessert begreift, sieht sich Herr Licht endgültig zu deren Verteidigung und handgreiflichem Protest gefordert.

Kubats Erzählstil setzt nicht auf wortreiche Dialoge und noch weniger auf Action à la Hollywood. Seine Bildsprache lebt von der Schönheit der kirgisischen Landschaft und ihren Farben und gelegentlich auch von ungewohnten, sogar gallig polemischen Zwischenschnitten, so etwa wenn er in den lasziven Tanz des Chinesen mit der Bauchtänzerin plötzlich das Bild kopulierender Maulesel einmontiert. Dass sein Held im neuen Kirgisien so wunderbar altmodisch wirkt, macht diesen aber nicht nur zum Sympathieträger, sondern unvermeidlich auch zum Opfer der neuen Ordnung. Kubats Inszenierung, über fast die gesamte Filmdauer eher von verhaltenem Humor getragen, schreit seine Verzweiflung über die Entwicklung seines Landes am Schluss in einer fast brutalen Szene heraus -und mag dann doch nicht ganz ohne ein angedeutetes Fünkchen Hoffnung enden. "Svet-Ake – Der Dieb des Lichts" war der Favorit des Publikums beim Festival in Cottbus und ist ab dem 14. April in ausgewählten Kinos zu genießen.