Saree Makdisi, kommt aus einer christlichen Familie. Seine Mutter ist Palästinenserin, sein Vater ist Libanese. Geboren ist der Autor in den USA. Er wirkt als Professor für englische Literatur an der UCLA in Los Angeles. Der Publizist hat mit „Palästina - Innenansichten einer Belagerung“ ein Buch vorgelegt, das in nüchterner Sprache über die Lage der Palästinenser in Israel und in den von Israel besetzten Gebieten berichtet. Es ist ein Buch, das man nicht gern liest. Es ist ein Buch, das man lesen muss. Wenn man gerecht sein will.

Ost-Jerusalem ist, nach Auffassung der Vereinten Nationen, Teil jenes Besatzungsgebietes, das Israel 1967 ebenso annektierte wie den Gaza-Streifen und die Westbank: Das Land der Palästinenser. Die Bewohner der Westbank dürfen allerdings nach dem Willen der israelischen Regierung nicht nach Ost-Jerusalem, wo ihre Verwandten und Freunde wohnen. Und die Jerusalemer Palästinenser dürfen nicht in die Westbank, ohne israelische Genehmigung. Selten genug wird sie erteilt. Außer man hat Glück oder stellt sich dem israelischen Geheimdienst als Spitzel zur Verfügung. Wer diese oder andere Papiere - Geburtsurkunden, Personalausweise, Aufenthaltsgenehmigungen - haben möchte, muss Tage in Schlangen vor einem kleinen, schwach besetzten Büro verbringen. Natürlich sind die Formulare in Hebräisch. Auch wenn die Mehrheit der Palästinenser nur arabisch spricht. Für jüdische Siedler wurden im palästinensischen Ost-Jerusalem seit 1967 rund 100.000 Wohnungen gebaut und gefördert. Etwa 9.000 Bauanträge von Palästinensern wurden genehmigt. So vermindert sich die Zahl der Palästinenser stetig und so wächst die Zahl der Juden in Ost-Jerusalem.

Eine Mauer zieht sich durch die Westbank. Ein Gebiet, das den dort lebenden Palästinensern gehört und von der israelischen Armee besetzt gehalten wird. Wenn die Mauer fertig ist, wird sie mehr als 700 Kilometer lang sein. Ihr kleinster Teil verläuft längs der Grünen Linie, der Waffenstillstandsgrenze zwischen Israel und der Westbank. Ihr größter Teil zerschneidet die Westbank, trennt die Palästinenser von ihren Brunnen und Äckern, setzt sie erheblichen Umwegen und erniedrigenden Kontrollen aus und vernichtet Ackerland: Eine Million Olivenbäume sind nach der Errichtung der Mauer nicht mehr oder nur erschwert zu erreichen, eine knappe halbe Million Bäume wurde verbrannt, entwurzelt oder niedergewalzt. In den Sperrzonen rund um die Mauer dürfen sich Palästinenser nur zu bestimmten Zeiten und mit bestimmten Papieren bewegen. Für jüdische Israelis gelten die Regeln nicht.

Ein Kind palästinensischer Eltern, das im Ausland geboren wurde, darf nicht ohne Genehmigung der israelischen Behörde in seine Heimat: Weder in den Gaza-Streifen, noch in die Westbank noch nach Ost-Jerusalem, alles Gebiete, die Israel seit mehr als 40 Jahren besetzt hält. Zumeist bekommt so ein Kind die Genehmigung nicht. Eine palästinensische Mutter hat ihr Kind seit Jahren nicht gesehen, weil sie ihren kranken Vater in Jordanien besucht. Man ließ sie nicht zurückkehren. Selbst dem leitenden Direktor des größten Invesment-Fonds in der Westbank, einem palästinensischen Amerikaner, wurde zweimal die Einreise verweigert. Nach Auskunft der israelischen Menschenrechtsorganisation B`Tselem warten 120.000 palästinensische Anträge auf Familienzusammenführung seit dem Jahr 2000 auf Bearbeitung.

Manchmal, wenn die israelische Armee meint, sie müsse einen palästinensischen Anschlag rächen, riegelt sie die komplette Westbank ab. Dann müssen alle Insassen des Ghettos zu Hause bleiben. Im Jahr 2006 war das an 78 Tagen der Fall. Natürlich sieht die Genfer Konvention Regeln für eine Besatzungsmacht vor, die dieser Willkür entgegenstehen. Aber Israel behauptet, die Konvention hätte für ihre Besatzungsgebiete keine Gültigkeit.

Diese besondere Rechtsauffassung gilt auch für das Staatsbürgerrecht: Weil es nach Auffassung des Obersten Israelischen Gerichtshofes keine israelische Nation neben dem jüdischen Volk gibt, haben alle, die als Juden gelten, auch wenn sie und ihre Familien seit Jahrhunderten in Moldawien oder den USA leben, ein „Rückkehrrecht“ nach Israel. Rund eine halbe Million Siedler haben, ermuntert und begünstigt von der israelischen Regierung, in den letzten 20 Jahren davon Gebrauch gemacht und siedeln in Ost-Jerusalem und der Westbank. Ein Privileg, dass den Palästinensern, deren Familien seit Generationen dort leben, nicht zugestanden wird.

Anfang der 70er Jahre lebten rund 10.000 Israelis in der Westbank und in Ost-Jerusalem, heute werden etwa 500.000 gezählt. Sie haben eigene Straßen die nur sie benutzen dürfen, eigene Wasserreservoire und sind bewaffnet. In der palästinensischen Stadt Hebron besetzen 500 Siedler, die von 5.000 Soldaten geschützt werden, die Innenstadt und legen so die Stadt lahm. Palästinensische Kinder müssen von ihren Müttern oder ausländischen Helfern zur Schule schützend begleitet werden. Trotzdem werden die Kinder und ihre Begleitpersonen bespuckt und mit Steinen beworfen. Die israelischen Soldaten sehen tatenlos zu. 90 Tage darf ein palästinensisches Kind von der Polizei festgehalten werden, ohne mit einem Rechtsanwalt sprechen zu können. Nicht weit von Hebron ist das Grab von Baruch Goldstein, geboren und aufgewachsen in Brooklyn. Goldstein hatte 1994 bei seinem Überfall auf eine Moschee 29 Palästinenser getötet und Dutzende verwundet. Auf seinem Grabstein steht: „Hier liegt der Heilige Dr. Baruch Kappel Goldstein.“

Es gibt zweierlei Recht unter der jüdischen Herrschaft: Das für die Herren und das für die Knechte, das für die, deren Abstammung über eine jüdische Mutter belegt ist und das für die anderen. Überall auf der Welt nennt man das Rassismus. Und wer wegschaut, macht sich mitschuldig.