Einige Freunde der Rationalgalerie haben das Buch „Die Macht um Acht“ gelesen und werden ihre Rezensionen Zug um Zug an dieser Stelle veröffentlichen. Sie alle beteiligen sich seit Jahren an der intellektuellen Diskussion in unserem Land. Ihre Beiträge können und sollten die Leserinnen und Leser anregen ihre Meinung zur Medien-Verfassung unseres Landes zu äußern.
Viele Köpfe denken

WOLFGANG BREUER
Wolfgang Breuer lebt und schreibt als freier Journalist in Hamburg. Zuvor war er Mitglied der Chefredaktion von Magazinen, u.a. bei Men's Health, Best Life und Modern Living. Als Redakteur bei Tageszeitungen wie der NRZ und dem Kölner Express berichtete er u.a. aus dem Vietnam-Krieg. Er ist seit 50 Jahren Mitglied der Deutschen Journalisten Union.

Die Rechnung ohne den Gast gemacht

Zugegeben: Ich sehe oft die Tagesschau. Eingeräumt: Ich ärgere mich oft über die Tagesschau. Weil ich meinen Rundfunkbeitrag dafür zahle, aber nicht das bekomme, was ich bestellt habe, nämlich einen objektiven Überblick über die Weltlage. In einem Restaurant würde ich das verpfuschte Gericht zurückgehen lassen, die Nachrichten kann man nicht zurückschicken. Oder doch: Die Journalisten Uli Gellermann, Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam haben jetzt Ungenießbares zurück in die Tagesschau-Küche geschickt – mit detaillierter Kritik an Köchen und Zutaten.

Ihr Buch „Die Macht um Acht“ erinnert nicht nur an die Ursprünge der meist gesehenen Nachrichten-Sendung, die im Geheimdienst-Sumpf lagen, es sichtet auch den Nachrichten-Markt, auf dem Monopolisten wie dpa, Reuters, AP und AFP die Meinungshoheit haben. Vor allem aber weist es in dokumentierten Programmbeschwerden nach, wie Nachrichten verfälscht oder unterschlagen werden. Wie Neonazis in der Ukraine zu „regierungstreuen Kämpfern“ geheiligt wurden, wie der Prominenten-Appell „Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen!“ verschwiegen, Putin ohne Fakten als Hacker-Zar verdächtig wurde.

Das Buch ist eine wunderbare Sehhilfe für Tagesschauer, es schärft den Blick auf Bilder und Formulierungen. Für alle, bei denen bisher unartikuliertes Unbehagen grummelt, weist es mit großer Sach- und Fachkenntnis Wege zur Reklamation. Es stiftet zum kritischen Unfrieden mit dem Mainstream-Brei der Herrschenden an und ist zugleich ein wichtiges Buch für die Friedensbewegung – weil die Produktion von Feindbildern in den Medien auch immer ein Schritt zur Kriegsvorbereitung ist. Ich werde weiter die Tagesschau sehen, aber alles Ungenießbare, Ungare, Verfälschte und Verdorbene zurück gehen lassen. Man sollte die Beitragsrechnung nicht ohne den zahlenden und mündigen Gast machen!