So hatten sich Sebastian (Gael García Bernal) der Regisseur und sein Producer Costa (Luis Tosar) das gedacht: "Und dann der Regen", einen Film über Christoph Kolumbus zu machen, den sie ausgerechnet in Bolivien drehen wollten. Schön, Kolumbus war nie in Bolivien, aber dort sind die Statisten preiswerter als anderswo, und die Indios sehen aus wie man sich Indios vorstellt, die örtlichen Behörden sind kooperativ, also was soll´s. Auch mit den Figuren der Kirche, die im Drehbuch auftauchen, ist man nicht zimperlich: Es gab zwar während der Zeit der Conquista, der räuberischen Eroberung Südamerikas, zwei Dominikaner-Padres, die arge Zweifel am Vorgehen der Spanier hatten, aber die haben den alten Kolumbus nicht kennen lernen können. Doch mit ihnen war der Zweifel an der brutalen Versklavung der Indios, an der Gier nach Gold, so schön dramatisch in Szene zu setzen, dass man auf sie nicht verzichten mochte.
Schon beim Casting gibt es die ersten Probleme: Lange Schlangen drängen sich vor dem Büro, denn die Leute der ganze Gegend würden gern den schlechten Lohn der Filmproduktion gegen den noch schlechteren der üblichen Arbeit tauschen. Einer in der Schlange führt einen kleinen Aufruhr an und fällt so auf: Daniel (Juan Carlos Aduviri), so denkt der Regisseur, ist die Idealbesetzung für einen Indio-Führer, der damals einen Aufstand gegen die Spanier geleitet haben soll. So ein Drehbuch ist doch was Feines, man schreibt rein was man will, und die Schauspieler spielen Schau und die virtuelle Realität schlägt allemal die altmodische, umständliche Wirklichkeit. Zumal der Regisseur Sebastian im Film von der echten Regisseurin (Icia Bollain) als etwas wirrer Idealist gezeichnet wird, der unbedingt so etwas wie eine Aussage in seinem Film unterbringen will, so was gegen Unterdrückung und so.
Dieser aufsässige Daniel ist, das erkennt der Producer, der Mann der aufs Geld gucken muss, vom ersten Tag an, untauglich für einen guten Dreh-Ablauf: Wer einmal stört, so denkt Costa, stört immer. Und während der Film im Film sich langsam entwickelt, entwickelt sich auch die Wirklichkeit. Denn man dreht in Cochabamba, der drittgrössten Stadt Boliviens, in der im Jahr 2000 die Bewegung gegen die Privatisierung des bolivianischen Wassers ihren Ausgang nahm. Und Daniel, als Aufrührer gecastet, rührt wirklich auf: Gegen die Weltbank, die in dieser Zeit einen 25-Millionen-Dollar-Kredit für Bolivien nicht verlängern will, wenn das Wasser nicht privatisiert wird. Und wenn die Weltbank Privatisierung sagt, dann meint sie es auch so. Brunnen, Teiche, Flüsse: Die Bolivianer sollen nirgendwo mehr ihr eigenes Wasser frei trinken dürfen. Davon erzählt der Film ein gutes Stück. Aber er nennt, immer noch, so viel Jahre danach, keinen Namen. Es war der US-Konzern Bechtle, ein Unternehmen, das mit der Bush-Cheney-Mafia bestens bekannt war und bis heute prima Beziehungen zum saudischen Königshaus unterhält, der die bolivianische Polizei und die Streitkräfte zum verlängerten Arm seiner Interessen machte.
Es ist ein schönes Doppelthema, das uns der Film präsentiert: Die alte Gier nach Gold wird in Szene gesetzt, während außerhalb des Drehs die Gier nach immer mehr Profit die Menschen in Bolivien auf die Straße treibt und so den einen Kampf mit dem anderen verquickt. Manchmal, wenn der Film im Film über die Rolle der Kirche und deren selektiver Moral handelt, gibt er sogar Erkenntnisse preis. Aber es ist nur ein kleiner Seitenarm des Drehbuches, der den besten Hinweis präsentiert: Mitten im Kampf um das Wasser fällt einer Frau aus dem Team ein, das man wohl besser einen Dokumentarfilm über den Kampf ums Wasser machen solle, der sei spannender als alles, was man im Spielfilm zeigen könne. Da hat sie recht. Denn die bolivianische Bevölkerung gewann den Kampf um ihr Wasser. Und auch aus dieser kämpferischen Quelle speiste sich der spätere Sieg von Evo Morales, dem ersten indigenen Präsidenten Bolviens. Manchmal, selten genug, schreibt das Leben die besseren Drehbücher.