Damals, so erzählt Amos Oz in seinen Geschichten über die Kibbuzim der 50er Jahre, damals war alles noch besser. In einer fiktiven israelischen Arbeits- und Lebensgemeinschaft, dem Kibbuz Jikhat, über dessen Begebenheiten der große, alte israelische Meister in seinem Buch "Unter Freunden" erzählt, spürt man die Begeisterung des Neuanfangs, eines Lebens unter genossenschaftlichen Bedingungen, in Siedlungen, in denen man Marx las und interpretierte, in denen allen fast alles gehörte und wo eine sozialistische, friedliche Zukunft nicht fern schien.

Damals, als wir jungen Deutschen gerade entdeckt hatten, dass wir im Land der Täter lebten, als wir aus Protest gegen unser Mörderland und in Solidarität mit den Opfern ein wenig jiddisch sprachen, und uns "Masel tov", viel Glück, zuriefen, die Bücher über den jüdischen Witz von Salcia Landman lasen und den jüdischen Folk-Songs von Theodore Bikel lauschten, damals schien alles noch besser. Es war eine schöne Flucht: Aus der Haut der Mörder-Kinder in die Haut der Opfer. Und Israel war uns nahe.

Es sind melancholische Begegnungen, die wir im Buch von Oz erleben. Wie jene mit dem düsteren Propheten Zvi, dem Gärtner des Kibbuz, der immer vom Unheil auf der Welt redet. Oder dem Einwand von Ruvke Rot, der in einer Debatte über das Verhältnis zu den Arabern sagt: "Das Vergeltungsaktionen nur den blutigen Kreislauf anheizen, denn Rache führe zu Rache und Vergeltung zur Vergeltung." Wer vergilt wem was, darf man, muss man Jahre später fragen: Was vergalten die Israelis den Arabern? Die ungerechte Landnahme? Dass die Palästinenser für die Verbrechen der Deutschen büßen mussten?

Damals, kurz nach der mörderischen Entdeckung des alten Deutschland, kannte ich keine Araber. Die einzigen Menschen mit jüdischen, also gläubigen Eltern, mit denen ich ein wenig bekannt war, hießen Kurt Tucholsky und Karl Marx. Die waren Deutsche, die verstand ich. Araber, die waren fremd und fern. Israelis schienen mir letztlich Europäer zu sein, sie waren mir nahe. So blieb eine doppelte Sympathie für Israel nicht aus: Das Land der Opfer und ein europäisches Land mitten im arabischen Meer. Die Siege der Israelis waren meine Siege.

"Mit der Liebe lässt sich nicht streiten," sagt der Kibbuznik Joschka, als der Lehrer des Kibbuz sich mit einer viel, viel jüngeren Schülerin zusammentut. "Haben wir nicht die freie Liebe auf unsere Fahnen geschrieben?" fragt er. Und mit ihm lässt der Autor noch einmal den alten, inzwischen verbrauchten Kibbuz im hellen Licht der Moderne erstrahlen. Eine große Familie war die Genossenschaft, auch weil mancher keine Mutter und keinen Vater mehr hatte. Deren letzte Wohnorte hießen Auschwitz und Treblinka.

In einer der Familiengeschichten spielt das fiktive arabische Dorf Deir Adschlum eine Rolle: Es ist verlassen. Amos Oz kennt ein anderes, ein reales arabisches Dorf, Deir Yasin. In dem kleinen Ort hatten im April 1948 die Irgun und die Hagana, terroristische Formationen der Israelis, ein Massaker an den arabischen Bewohnern verübt. Schnell wurde das Dorf von denen verlassen, die man nicht umgebracht hatte. Aber er beschreibt es nicht. Oz kennt auch den Leitsatz des israelischen Staatsgründers David Ben Gurion: "Wir müssen alles tun, um sicherzugehen, dass sie (die Palästinenser) niemals zurückkommen … Die Alten werden sterben, die Jungen werden vergessen."

Vergessen scheint eher der Kibbuz als Modell einer friedlichen israelischen Entwicklung. Heute sind weniger als zwei Prozent der Israelis Kibbuzniks, einst waren es mehr als acht Prozent. Damals konnte man Menschen wie den holländischen Juden Martin in ihnen finden, den Oz als jemanden beschreibt, der keine "Wiedergutmachung" kein "Blutgeld" aus Deutschland annehmen wollte. Heute freuen sich die neuen Siedler im Palästinenserland über die schönen U-Boote aus Deutschland.

In einem Kapitel lässt Oz die Kibbuzniks Esperanto lernen, denn: "Wenn alle Menschen eine gemeinsame Sprache sprechen, dann gibt es keine Kriege mehr. - Es sind die unklaren Wörter, die überall die Beziehungen zwischen den Menschen vergifteten und klare, eindeutige und wohlklingende Wörter könnten diese Beziehungen heilen." Im letzten Kapitel von "Unter Freunden" wird der Esperanto-Lehrer zu Grabe getragen. Und einer von denen, die ihn beerdigen, weiß "Schade. Solche Menschen gibt es fast nicht mehr." Ein Epilog wie er klarer kaum zu schreiben wäre.