Es ist ein höchst praktisches Buch für den Durchblick in der Finanzkrise, das Hermannus Pfeiffer mit "Der profitable Irrsinn" vorlegt. Auch wenn die Arbeit schon Anfang dieses Jahres fertig gewesen sein dürfte und die Finanzkrise einen Galopp vorlegt, die Ratschläge von gestern zu gestrigen Ratschlägen werden lässt, bleibt das Buch von Pfeiffer doch eine ziemlich gründliche Analyse der Lage und der Akteure.

Schon das Vorwort stellt fest: "Da draußen herrscht Krieg." Und das Draußen ist das anarchistische Bankensystem das, so der Autor "kein Interesse an Stabilität und nachhaltigem Wohlstand" hat. Denn vom immerwährenden Auf und Ab "leben die Börsianer, Makler und Banker", jene Clique also, die nicht einmal Mehrwertsteuer auf ihre Geschäfte zahlt und den Takt der Medien beherrscht: Kaum fünf Prozent der Bundesbürger besitzen eine Aktie, aber den Börsennachrichten in Rundfunk und Fernsehen ist kaum mehr auszuweichen. Nirgendwo sonst wird die platte Kapital-Agitation so deutlich wie zum Beispiel in der Sendung "Börse im Ersten", die zur besten Sendezeit die Probleme einer Minderheit von Spekulanten zum Thema der Mehrheit macht.

Pfeiffer klärt mit großer Sorgfalt, wie das Finanzsystem funktioniert, benennt 29 Grossbanken als "Herrscher der Welt", erwähnt wie nebenbei das Geschäftsvolumen der Deutschen Bank, das nahezu der kompletten Wirtschaftsleistung Deutschlands entspricht und erinnert kühl daran, dass im Aufsichtsrat dieser immensen Wirtschaftsmacht Medienrepräsentanten ebenso vertreten sind wie Prominente aus der Politik: Von der ZEIT, dem ZDF über den Springer- bis zum Burda-Verlag: Man ist embedded. Wahrscheinlich erklärt sich aus diesem Eingebettetsein, dass in den Zeiten des Rot-Grünen-Reform-Gequatsches, kaum einem Medium auffallen mochte, dass auf der Agenda 2010 die wachsende Armut einer Mehrheit als Voraussetzung des Reichtums einer Minderheit stand.

Manchmal berichtet der Autor einfach über die Strukturen des Finanzmarktes, über die "Schöpfer des Geldes", die Zentralbanken, über die Macht der großen Versicherer oder die Fondsgesellschaften. Bei den letzteren mag er nicht darauf verzichten, die "Riester-Rente" als "Riester-Falle" zu bezeichnen, die im wesentliche "zur Freude der Banken" aufgestellt wurde und nur deshalb funktioniert, weil die rot-grüne Regierung das Rentenniveau senkte. Zornig vermerkt Pfeiffer, dass die wachsende Arbeitsproduktivität in Deutschland den als Argument zur Senkung angeführten "demographischen Faktor" allemal aufgehoben hätte.

Von D wie Derivat bis S wie Soros - was nur ein Synonym für Spekulant ist, der aber bis heute als Wohltäter in den einschlägigen Blättern gehandelt wird - zählt der Autor Mittel und Mittler des Finanzchaos auf, und wenn er dann zu den Rating-Agenturen kommt, weist er akribisch nach, dass deren Urteil von eigenen Interessen geprägt ist. Wessen Interessen der große Finanz-Zampano der SPD, Peer Steinbrück, vertrat, als er den deutschen Banken verordnete externe Ratings hinzuziehen, wird ein Rätsel bleiben. Aber dass der "Profitable Irrsinn" sich auch darin zeigt, dass mit dem Rating-Urteil "hochriskant" die betroffenen Staatsanleihen erst recht hochriskant werden, macht Pfeiffer deutlich. Und auch dass jene Unsummen, die zu der dann nötigen Rettung von Staaten und Banken nur die nächste Spekulation entfachen, ist dem klaren Urteil von Pfeiffer nicht entgangen.

Bei den Alternativen des Schlusskapitels taucht das Wort "Verstaatlichung" nirgends auf. So detailliert der Autor eine kluge Forderung nach dem "Demokratischen Markt" an die anderen reiht - von den notwenig höheren Steuern für Reiche bis zur Einbeziehung der "Völker Europas" in die demokratische Willensbildung - an die grundsätzlichen, die verändernden Massnahmen mag er nicht denken. Ein wenig mehr Sahra Wagenknecht, ein wenig mehr jener Radikalität, die den Markt konsequent zu Ende denkt, täte dem Buch gut.