Das ist gar nicht so lange her, da wurde der Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela und spätere Präsident von Süd Afrika noch als Terrorist bezeichnet. Erst 1990 wurde der Mann - gefeiert, geliebt, verehrt wie kaum ein anderer Politiker auf der Welt - den wir in Bille Augusts Film "Goodbye Bafana" mit den Augen seines weißen Gefängniswärters sehen können, nach fast dreissig Jahre währender Haft aus dem Gefängnis entlassen. Natürlich galt seine politische Organisation, der ANC, als terroristisch und er selbst war, nicht nur in Südafrika sondern auch lange in der deutschen West-Republik, als Oberterrorist bekannt. Soviel zur politischen Halbwertzeit des Begriffs "Terrorismus".

Der Film beginnt leise, er kennt auch in seinen weiteren 117 Minuten kaum wirklich laute Töne: Der Gefängnis-Wärter James Gregory (Joseph Fiennes) will auf Robben Island seiner Karriere einen Schub geben. Der Famersohn Gregory unterscheidet sich in fast nichts von seinen weißen, südafrikanischen Mitbürgern, dieser arroganten, widerlichen Minderheit, die sich seit Jahr und Tag anmasst, mit einem diktatorischen Regime die farbige Mehrheit der Südafrikaner zu unterdrücken. Einen kleinen, aber für die wahre Geschichte, die der Film uns freundlich vermittelt, bedeutenden Unterschied gibt es allerdings: Gregory, aufgewachsen mit einem farbigen Spielkameraden, spricht Xhosa, die Sprache des prominentesten Häftling auf Robben Island: Nelson Mandela.

Gregory und seine Frau (Diane Kruger) sehen im neuen Job die große Chance auf Beförderung: Sie dauerwellt die Haare der Offiziersfrauen, er lässt sich vom südafrikanischen Geheimdienst, seiner Xhosa-Kenntnisse wegen, als Spitzel gegen Mandela einsetzen. Schon früh transportiert der Film mit seinem Mandela-Darsteller Dennis Haysbert die ruhige Kraft, die dem großen Nelson zu eigen war und ist: Unerschütterlich und freundlich reagiert er auf auf die Provokationen seines Wärters, klug umgeht er die Konfrontation mit dem Mann, der eigentlich nichts anderes will, als über ihn, den wichtigen Gefangenen, den nächsten, höheren Rang in der Gefängnishierarchie zu erreichen.

Sicher wäre auch ein Film über Nelson Mandela denkbar gewesen, der einen neutrale, historisch gewichtende Postion hätte einnehmen können. Aber über den gewöhnlichen Rassisten Gregory, der die tägliche Grausamkeit der Wärter gegen ihre Gefangenen nicht unbedingt billigt, sie aber für notwendig hält, damit sein Vaterland, dass weiße Südafrika, vor dem Ansturm der in seinen Augen ebenso kommunistischen wie terroristischen Horden des ANC gerettet werden kann, gerät die Sicht zur Einsicht. Der dänische Regisseur beweist hier erneut, wie schon in "Fräulein Smillas Gefühl für Schnee", dass er über die Facette zum Ganzen kommen kann, dass er durch Geduld mit seinen Figuren dem Zuschauer einen Genuss bereiten kann, der Erkenntnis vermittelt.

Nur langsam begreift Gregory wie sehr er, der Weisse, mit dem Protofarbigen Mandela verbunden ist, wie sehr beide eine gemeinsame Verantwortung für ein gemeinsames Land tragen müssen. Dass der Gefängniswärter mit seiner langsam freundlicher werdenden Haltung zu Mandela in Konflikt zu seiner Umwelt gerät, versteht sich. Was als Karrieredurchbruch begann, landet fürs erste im Karriereknick, den vor allem Gregorys Frau nur schwer zu ertragen vermag. Gerade in diesem kleinbürgerlichen Moment von Geschichtswirklichkeit werden simple Zusammenhänge wunderbar deutlich. Der graduelle Unterschied zwischen opportunistischer Anpassung und vorsichtigem, leisem Widerstand durch einfache Menschlichkeit mag klein sein, aber für den Gang der Geschichte kann er bedeutend werden.

Wir wissen wie Mandelas Geschichte, die immer auch die seines Landes war, ausgegangen ist. Der Film lässt uns daran teilhaben, wie mit der immer unsicherer werdenden Apartheid-Regierung, zuerst die Haftbedingungen des ANC-Führers besser werden und er dann, am Ende der Haft und fast am Ende des Regimes, als Sieger aus dem Kampf hervorgeht. Ein Sieger der den Besiegten kaum ein Haar krümmen lies. In diesem politischen Wandlungsprozess steigt der kleine Gefängnisbeamte zum Bindeglied zwischen der lavierenden Regierung und dem taktierenden Mandela au. Und was anfänglich das Ende der Karriere hätte bedeuten sollen, wird zum neuen Schub: Ein besserer Job, ein neues Haus, das beginnende Studium der Kinder: Gregory führt diese Änderung seines Lebens auf Mandela zurück und der Film lässt ihn dabei bescheiden klüger werden.

Bafana meint "Junge" in Xhosa und im Film "Goodbeye Bafana" erleben wir, wie der jungenhafte Joseph Fiennes unter dem Einfluss Nelson Mandelas langsam erwachsen wird, zu einem Mann reift, der Verantwortung für sein Land übernimmt. Für die sensible Vermittlung dieses Reifungsprozess, während dessen die Unterdrückten den Unterdrückern eine gründliche Lektion erteilten und in dem der Gefangene Mandela seinen Wärter von der gefährlichen Blödheit des Rassismus befreit, dankte das Berlinale-Punlikum mit mit einem langen, warmen Beifall. Der Film ist ab dem 12. April in unseren Kinos zu sehen.