Liebesfilme sind oft peinlich. Die unziemliche Nähe zu fremden Menschen, wenn sie ihr Inneres scheinbar vor der Kamera preisgeben, dieser Ersatz für eigene Neigungen, was soll das? Meist soll es dem Zuschauer ein Erlebnis vermitteln, dass er auch gern hätte. Was vermitteln Liebesfilme? Zwei haben gerade so ein Gefühl, gern am Ende einer Geschichte, und dann, wenn sie sich nach Irrungen und Wirrungen gefunden haben, dann kommt gern der kleine Moment, der preiswerte Tränen auslöst. "Extrem laut und unglaublich nah" ist ein Liebesfilm. Nicht der eines Paares. Er ist einer über die Liebe von Eltern zu ihrem Kind. Und wer ihn, nur weil er um das Datum des 11. September 2001 kreist, für einen Erinnerungsfilm hält, für einen Anti-Terrror-Film gar, der liegt falsch.
Oskar (Thomas Horn) ist kaum 10 Jahre alt, er lebt in New York und hat Angst: Aufzüge versetzen ihn in Panik, Brücken wagt er nicht zu betreten, lieber läuft er Kilometer um Kilometer zu Fuß als sich in die Fänge einer U-Bahn zu begeben. Wann immer sein kleiner dicker Vater(Tom Hanks) kann, müht er sich, dem Oskar die Angst zu nehmen: Mit ihm plant er abenteuerliche Exkursionen, Reisen, die den Jungen an die Grenzen seiner Angst führen sollen, um sie zu überwinden: Eine normale Schaukel im Central Park kann solch eine gefährliche Klippe sein.
An einem dieser Tage - die Mutter ist im Büro, der Vater hat einen Geschäftstermin, Oskar kommt früher aus der Schule nach Hause - schleicht sich der Film an das Datum an, an den 11. 9. 2001. Der Junge wird ihn im Film den "schlimmsten Tag" nennen: Denn Oskars Vater bleibt für immer in einem der Türme des World Trade Centers. Und sein Sohn, dessen Autismus eine hyperintelligente Kehrseite hat, dessen ängstliches Herz ihn zu den kühnsten Fragen befähigt, ein kleiner Junge mit einem großen Schmerz, wird anfangen nach dem Vater zu suchen. Denn ein ziemlich gewöhnlicher Schlüssel scheint dessen Erbe zu sein, ein Schlüssel, der früher wohl einem Menschen namens Black gehört hat. Und von den Blacks gibt es viele in der großen Stadt New York. Aber damit etwas bleibt vom Vater, will Oskar das Schloss finden, zu dem der Schlüssel passt. Also klappert er alle Blacks ab, die infrage kommen.
Aus der Liebe zum Vater entwickelt Oskar, der Tag für Tag, von Tür zu Tür, von Mensch zu Mensch wandert, eine zögerliche Liebe zu den Leuten in New York, zu den vielen Farben der großen Stadt: Den Gelben, den Schwarzen, den Verrückten, den Jungen, den Alten. Und wie er dann einen Vater sucht, findet er ihn ganz langsam in den Vielen, die ihm auf der Suche begegnen. Und einmal, als er in seiner suchenden Einsamkeit ins Stocken gerät, findet er auch, ganz in seiner Nähe, den alten, anscheinend stummen Mann (Max von Sydow), der ihn begleitet und leitet, dessen wortlose Freundschaft den Jungen immer weiter trägt, die vielen Ängste überwindend, um den Stummen in der Verzweiflung über die erfolglose Suche irgendwann zu verlieren.
Was Oskar findet? Sich selbst. Was der Zuschauer finden kann? Den seltenen Schlüssel zum Verständnis für so etwas wie gute Nachbarschaft. Einmal fragt der Junge, warum denn Leute, die seinen Vater gar nicht gekannt hatten, ihn denn umbringen wollten. - Eine gute Frage, die fast überall auf der Welt gestellt wird, wo fremde Leute, vorzugsweise Amerikaner, Väter und Mütter, nicht selten auch Kinder, umbringen, die sie nicht kennen.
BERLINALE-ZWISCHENSCHNITT
Der kalte Wind der DDR
Wann immer die schöne, blonde Nina Hoss durch ein Provinzkaff in der DDR läuft, pfeift der Wind, so kalt. Mit Wärme aller Art hatte der Osten, als er noch nicht vom Westen befreit war, natürlich nichts zu tun, erzählt der Film. Deshalb will Nina Hoss, die, wie immer brillant, die Ärztin Barbara spielt, ja auch raus aus dem Kühlschrank. Und weil sie einen Ausreisantrag gestellt hat, um mit einem Mann aus dem Westen zusammenzuleben, wird sie von der Stasi bedrängt: Erst von der Charieté an ein unbedeutendes Krankenhaus versetzt, dann Tag und Nacht beobachtet, will sie nicht auf die legale Ausreise warten. Ihre Flucht ist geplant. Der Regisseur Christian Petzold präsentiert in "Barbara" eine DDR von ausgesuchter Schäbigkeit: Häuser und Wohnungen verschlissen, kaum Farben im Straßenbild, und auch die Bewohner sind, mit wenigen Ausnahmen, verhuschte Wesen.
Weil aber das DDR-Bild nicht hässlich genug ist, muss es auch noch Stella, einen Flüchtling vom Jugendwerkhof Torgau geben. Zwar liegt der eigentliche Spielort an der Ostsee, und der Jugendwerkhof Torgau, eine besonders miese Besserungsanstalt, befindet sich in Sachsen. Doch wie der immer pünktlich einsetzende kalte Wind, ist eine Besserungsanstalt, die eher Schlechterungsanstalt hätte heißen sollen, ein unentbehrliches Accessoire, um die DDR ordentlich düster zu zeichnen. Ein kleiner Lichtblick ist der Chef-Arzt Andre (Ronald Zehrfeld). Inmitten der Tristesse schimmert sein Interesse an Barbara auf, als habe er sich im Film geirrt: So freundlich, so hilfsbreit, das kann kaum ein DDR-Bürger sein. Deshalb hat Barbara auch den Verdacht, dass er mit der Stasi kooperiert. Nachdem der Film alle Klischees abgearbeitet hat, ist das Ende nicht sonderlich überraschend. Soll aber, weil man sonst schon alles kennt, hier nicht verraten werden