Irgendwo in Afrika: Angebliche Rebellen kämpfen gegen angebliche Regierungssoldaten. Jeder schießt auf jeden. Inmitten der rekrutierten Kindersoldaten ist Komona (Rachel Mwanza). Sie bekommt ihre erste Kalaschnikow in die Hand gedrückt, um ihre Eltern zu erschiessen. Denn der regellos grausame Krieg verlangt das Kappen aller Bindungen zugunsten der einen an den jeweiligen Führer. Selten nah und dicht führt der Film WAR WITCH den Zuschauer in jenen totalen Krieg, der in vielen Staaten Afrikas herrscht. Der Regisseur Kim Nguyen betrachtet ihn durch die Augen von Komona, die mit zwölf Jahren in den Krieg gezogen wird und ihn erst zwei Jahre später wieder verlassen kann.

Während die Waffen auf den beiden Kriegsseiten modern sind, bleiben die Bewegungsformen der Kämpfer archaisch: Drogen sollen den Mut und die Aggressivität erhöhen, Zauberer weisen den Weg und predigen den Sieg. Seltsame weiße Gestalten, Zombies gleich, erscheinen der kleinen Komona im Drogenrausch, Geister scheinen sie rechtzeitig vor Feinden zu warnen. Die anderen Kindersoldaten rufen sie deshalb zur allwissenden Hexe aus, eine, die von den Bewegungen der Regierungssoldaten weiß und so den Rebellen den Triumph versprechen könnte.

Inmitten der Grausamkeiten beginnt eine zarte Beziehung zwischen der Hexe und dem Zauberer, eine Annäherung, die den beiden die Flucht aus der Truppe nahelegt. Der Ausbruch aus der Brutalität, aus dem täglichen Morden, soll nach dem Willen der zwei zu einer Hochzeitsreise werden. Allerdings weiß Komona aus einer vordenklichen Friedenszeit noch, dass eine Heirat nur möglich ist, wenn die beiden einen der seltenen weißen Hähne für die Zeremonie ergattern. In einer märchenhaft fröhlichen Reise verlassen Hexe und Zauberer die alltägliche Gewalt, um scheinbar ein kleines Glück zu gewinnen. Es wird den beiden versagt bleiben und doch trägt der Film eine versöhnliche Botschaft in sich: Rettung ist möglich.

Dann und wann fällt im Film das Wort Coltan, der Name jenes seltenen Minerals, das für Handys und Laptops so ungeheuer wichtig und gewinnträchtig ist, dass Firmen aus dem Westen dafür unbedenklich Kriege und Kinderarbeit in Zentralafrika in Kauf nehmen. Einen weiteren Hinweis hat der Regisseur in der Hütte von Komonas Onkel platziert: Dort hängt ein Bild von Patrice Lumumba, dem ersten Ministerpräsident des freien Kongo, der 1960 mit Hilfe des CIA weg geputscht und 1961 von Söldnern unter belgischem Kommando ermordet wurde. Sein Bild verspricht jene Hoffnung, von der WAR WITCH, inmitten des Kriegswahnsinns, auch handelt.


BERLINALE: ZWISCHENSCHNITT
Meryl Streep im Lügensumpf

Da mögen deutsche Bomben über London fallen, aber die kleine Maggie, die später die schreckliche Thatcher werden sollte, eilt raus aus dem Bunker und hin zur Butter im Laden ihres Vaters, denn die war nicht abgedeckt. Mit dieser Heldengeschichte beginnt der ziemlich eklige Propagandafilm "The Iron Lady" für den Meryl Streep als Frau Thatcher ihre Reputation aufs Spiel setzt. Nicht, weil sie schlecht spielen würde, im Gegenteil. Sondern weil sie das verlogene Märchen von der allzeit tapferen, selbstlosen Thatcher noch um eine Komponente erweitert: Die Mitleidsnummer. Denn der Film geht wesentlich von einer Thatcher aus, die bereits der Demenz verfallen ist und der man eigentlich nicht mehr böse sein kann.

Aber die Thatcher war eine böse Frau, die einen blutigen Krieg führte, um Wahlen zu gewinnen, aber im Film als treusorgende Mutter der Nation gezeigt wird, die allen Müttern der Gefallenen einen schönen Brief schreibt. Ihr betrügerischer Sohn war natürlich nicht in Falkland. Primär lügt der Film durch Verschweigen: Weder erfährt der Zuschauer von der Streichung der Gratismilch an den Primarschulen, die Thatcher ebenso veranlasste wie von der Privatisierung öffentlicher Betriebe, die im Falle der britischen Eisenbahnen zu einem Dauerchaos führte. Die Folgen der Thatcherschen Wirtschaftspolitik sind bis heute in England zu besichtigen: Die Zerschlagung der britischen Industrie, die wachsende Armut breiter Schichten und der unglaubliche Reichtum einer Handvoll Milliardäre. Wer ein Monster zu einer netten alten Lady umschminkt, kann noch so gut spielen, er macht sich der Beteiligung an einer üblen Geschichtsfälschung schuldig.