Das hat er nicht verdient, der SPD-Vorsitzende Beck. Irgendwo soll er, in der Umgebung des jüngsten SPD-Parteitages, irgendwie die Wörtchen "Demokratischer Sozialismus" benutzt haben. Woraufhin der "Spiegel" und sein Lyrik-Beauftragter, Wolf der Biermann, Gottseibeiuns gerufen und die erprobte Biermann-Pamphletmaschine angeworfen haben, um dem Beck das gespitzte Mündchen zu verbieten. Wohl wissend, pfeifen würde er nie, der Beck. Das Wörtchen ist alt: Es stand schon, von Oskar Lafontaine redigiert, im gewesenen Berliner Programm der SPD und auch im Godesberger und wahrscheinlich hat es Bebel auch schon mal benutzt. Aber Strohwitwer Biermann, schon lange von seiner Jugendfreundin Margot Honnecker getrennt lebend, macht das Knüppelchen aus dem Säckchen des "Spiegel", und tut, als wäre das alles rasend neu.

Nicht müde wird der Dissidenten-Rentner, Ballons zu stechen, die er selber aufgeblasen hat."So oder so ähnlich" soll der dänische Dichter Nexö mal zu Berthold Brecht gesagt haben: "Wir Sozis und Kommunisten sind doch im Grunde auch (wie Hitler) zutiefst national". Das soll Ruth Berlau vor 30 Jahren dem Biermann erzählt haben und der erzählt es jetzt uns, nicht ohne so nebenbei den Brecht der Vielweiberei zu bezichtigen und Nexö, so Biermann, habe den Brecht außerdem mit "Heil Hitler, Genosse!! angeredet. Nichts davon ist so gesagt worden, aber wenn Biermann zwei veritable Dichter zu moralischem Kleinholz hacken möchte, um sich einen Hügel zu bauen, von dem herunter er dem SPD-Chef hinterher grölen kann, dann ist das sicher dichterische Freiheit, soweit Biermann ein Dichter ist.

"Da ist der Tod", schreibt Biermann in seinem neuesten Gedicht-Bändchen, "da will ich hin. Ankommen aber nie und nimmer." Nach der Hinrichtung der Dichter Schakespeare und Dylan durch den Übersetzer Biermann, geht der die deutsche Sprache und die Logik wieder frontal an: Tot sein will er schon, nur eben später oder auch gar nicht. Schon damals, als er noch DDR-Bürger war, hätte die Obrigkeit ihm für die sorgsam gedrechselte Zeile "Sindermann, du blinder Mann, du richtest nur noch Schaden an", den Orden "Wieder der tierische Vers" und einen Volvo verleihen sollen, statt ihn auszuweisen. Ein Akt von dem Biermann immer noch lebt und der ihn heute im "Spiegel" schreiben lässt: "Kommunismus bedeutet die Endlösung der sozialen Frage". Na, klar: In der DDR sind all die vielen Arbeitslosen ins Gas gegangen.

Einen "panischen Klassenkrampf um deutsche Wählerstimmen" wirft der GröDaZ (Grösste Dichter aller Zeiten) Biermann dem Versehens-Sozialisten Beck vor und natürlich reicht ihm der einfache Kampf nicht, der Herr badet gerne kalau. So reist er denn auch in die Geschichte und findet dort den Geheimrat Goethe, der Gleichheit und Freiheit, was ja dem Demokratischen Sozialismus immanent ist, als Phantasterei abtat. Goethes skeptische Haltung zur französischen Revolution, die Gleichheit und Freiheit auf ihre Fahnen geschrieben hatte, ist dem Biermann die Erkenntnis wert: "Goethe roch den Braten". Mit dieser selten originellen Küchenmetapher hat der große Biermann dann auch die kleine französische Revolution erledigt und könnte mit seinem Tagesgeklitter eigentlich zufrieden sein.

Aber der Gebrauchsdichter hat im heutigen "Spiegel"-Artikel ja die PDS noch nicht erwähnt und wieder gelingt ihm einer seiner großen, poetischen Einfälle: "Partei Der Spitzel" nennt der die PDS, wenn das nicht Spitze ist. Während des Lesens kann einem einfallen, dass er die Anti-Irak-Krieg-Demonstranten "Nationalpazifisten" gennant hat und in der Verteidigung der amerikanischen Kriegspropaganda das Regime von Saddam Hussein als "schlimmste Massenvernichtungswaffe" entdeckte. Aber dem Dichter ist eben alles dicht und was nicht passend ist, das wird passend gemacht. Um dem Biermann Anregungen für seinen nächsten Lyrik-Band zu geben, spendieren wir ihm eine erste Zeile, deren Inhalt ihn zu neuen Gipfeln von Kenntnis und Selbsterkenntnis beflügeln könnte, wäre seine Phantasie des Fliegens mächtig:

Das ist der Schmock
Da wollt ich hin
Und angekommen
Bin ich immer wieder.