Udo di Fabio ist ein ausgezeichneter Mann: Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung ehrte ihn als »Reformer des Jahres« und auch die »Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft«, deren Neuigkeit die Abschaffung des Sozialen ist, zeichnete den Verfassungsrichter aus. Weil er seine konservative Gesinnung einem Buch und damit der Öffentlichkeit anvertraute. Zwar ist es in Deutschland guter Brauch, dass Richter nicht an der politischen Debatte teilnehmen, aber di Fabio wurde nicht gerügt, geschweige denn aus dem Dienst entfernt. Man war sicher, er würde noch gebraucht.
Jetzt wissen wir für was. Für die Drecksarbeit als federführender Richter beim neuesten Tornado-Urteil: Der Afghanistan-Kriegseinsatz deutscher Flugzeuge ist, glaubt man di Fabio, verfassungskonform. Auch die Begründung ist von erlesener Qualität: Die NATO sagt, der Einsatz diene der Sicherheit des euro-atlantischen Raums, also wird das schon so sein, also ist das Mandat rechtens. Sagt doch der Mörder vor Gericht: »War wegen meine Sicherheit, Herr Amtsrat, da musste ick zuschlagen«. Sagte der Richter: »Na, klar, Freispruch.« Dass der Zweite Senat des Verfassungsgerichtes auch keine »strukturelle Abkoppelung der NATO von ihrer friedenswahrenden Ausrichtung« sehen mochte, verweist auf sein subtiles Rechtsverständnis: Es meint, wenn die NATO die Afghanen nicht bombardieren würde, dann kämen die um den euro-atlantischen Raum zu überfallen! Sagt der Mörder: »Die Oma kiekte schon so drohend, Herr Amtsrat, wat sollte ick machen?«
Udo di Fabio kennt sich aus in der Gesellschaft, in der er richtet. Er hält sie für »überversorgt« und von einem »Wohlfahrtssystem« geprägt, das letztlich in einem hoffnungslosen Individualismus« mündet. Da werden ihm die Hartz IV-Empfänger sicher zustimmen. In einem Interview mit der »Zeit« fallen ihm auch prima soziale Alternativen ein: »Drei Kinder fürs Leben oder drei Flugreisen im Jahr«, fragt er die Bezieher kleiner Einkommen und weiß zum Verrecken nicht, was ein kleines Einkommen ist. Denn seine Besoldung reicht allemal für Kinder und Flüge. Und unkündbar ist er natürlich auch. Dass seine Frau schön zu Hause bleibt, erhärtet er mit der für ihn gesellschaftlich verbindlichen These, dass Selbstverwirklichung beider Geschlechter leider nicht möglich ist wenn man Kinder hat.
Auch über die Nazi-Zeit fällt der furchtbare Jurist ein fabelhaftes Urteil: Man müsse zwischen Schuld und Tragik, zwischen Täterschaft und Verführung unterscheiden. Damit Deutschland »aus dem Bannstrahl des Nationalsozialismus heraustreten« könne. Und damit das verschwiemelte Deutsch auch verstanden wird, schiebt er hinterher, dass er die Gefahr einer ritualisierten Erinnerung an unsere Geschichte sieht. Alles klar: Hitler und ein paar andere waren schuld, der Rest war tragisch verstrickt und wir kriegen immer noch den bösen Bannstrahl ab statt freigesprochen zu werden. Weil »eine übermäßige Aufmerksamkeit auf die Hitlerdiktatur gelenkt ist«.
Dass wirklich Gute an di Fabio ist seine Berechenbarkeit. Falls der Richter rückwirkend über den Einsatz von Kampfflugzeugen, von Spähpanzern und insgesamt 2450 Bundeswehrsoldaten gegen die Demonstranten in Heiligendamm entscheiden müsste, würde er darin sicher keine strukturelle Abkoppelung der Bundeswehr von ihrem Verteidigungsauftrag sehen. Denn natürlich hat der Verteidigungsminister mit dem Einsatz der Bundeswehr während des G-8-Gipfel nur einen »beweglichen Pragmatismus« verteidigt, wie er im Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu den Tornado-Einsätzen zum Ausdruck kommt: »Was hatte die afghanische Oma denn in det Terror-Gebiet zu suchen, Herr Amtsrat, det frage ick Ihnen.«