Den selbsternannten "Arbeiterführer" Jürgen Rüttgers, den Minsterpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, kennt fast jeder. Rüttgers scheint eher links im Spektrum der CDU zu stehen. Doch in seiner Staatskanzlei sitzt, hinter einem großen Schreibtisch geschützt, Thomas Speckmann, ein kleiner Referent, dem jüngst in der "Süddeutschen Zeitung" ein bemerkenswerter Satz entglitten ist: "Mit heroischer Gelassenheit werden die westlichen Demokratien auch den heutigen Anti-Terror-Kampf bestehen". Das schreibt der Lehrbeauftragte an der Universität Bonn gegen Ende eines gewundenen Artikels - in dem er anfänglich die besorgte Frage aufwirft, ob der Westen wirklich kriegsmüde sei, den Leser zwischenzeitlich über die Wirkungsweise des englischen Langbogens aufklärt - um schließlich eine "Epoche der neuen Kriege" auszurufen, die "Europa zu neuem Heldenmut zwingen sollte".

Natürlich war so einer nie Soldat und wird auch nie das Blut und den Dreck kosten, die den Kriegen immer noch zu eigen sind. Diese verdrucksten Kader der CDU beginnen ihre Karriere gern in der Messdienerei und der Jungen Union, um dann, denn Speckmanns Abitur-Note am Gymnasium Paulinum in Münster erlaubte kein sofortiges Studium, von Praktikum zu Praktikum der christlichen Seilschaften weitergereicht zu werden: Ein Jahr bei der Konrad-Adenauer-Stiftung, dann Lernen bei der BILD-Zeitung, eine Denkpause bei der FAZ, um später seinen letzten Schliff im königlichen Armee-Musseum in Brüssel zu bekommen. Ob es ihm dort der "vergessene Krieg in Korea" oder die Ausstellung von Panzern im Innenhof besonders angetan hat? Denn nirgendwo sonst ist aus dem Lebenslauf Speckmanns ein Anlass zur Militärbegeisterung deutlicher zu erkennen als eben hier, wo die Ausstellung zum "Besetzten Belgien" mehr Nazi-Devotionalien anbietet als Dokumente des Widerstandes.

"Ein Großteil der 200 Milliarden Euro, die die EU-Staaten jedes Jahr für die Verteidigung ausgeben, werden also schlicht verschwendet", barmt der Rüttgers-Mitarbeiter in der "Welt", denn der größte Teil der Landstreitkräfte könne nicht "außerhalb ihres nationalen Territoriums operieren", schreibt der tapfere Speckmann, lange nach dem er wissenschaftlicher Mitarbeiter des Ausstellungsprojekt "Flucht, Vertreibung, Integration" geworden war. Von dieser ersten ordentliche Stelle war der Sprung zum Lehrbeauftragten der Universität Bonn nicht mehr weit. Ein ganzes langes Jahr im Militär-Museum hat den Dozenten offenkundig für schwere Fragen gerüstet: "Ist es wirklich im Interesse des Westens, Obamas Vision vor einer atomwaffenfreien Welt zu verwirklichen?" Natürlich nicht, fällt dem Hilfs-Willigen eines deutschen Geister-Krieges ein, denn wenn die Russen von der Atomrüstung entlastet würden, könnten sie das freigewordene Geld in eine High-Tech-Armee stecken und dann . . . dann verliert sich der Autor in dunklen Vermutungen darüber, wie denn internationale Energiepolitik aussehen sollte.

Da hockt er nun tagsüber im Referat "Grundsatzfragen" des Dr. Rüttgers, um abends, auf der anderen, der "besseren" Rheinseite Düsseldorfs in den eigenen vier Wände sein Tenorhorn zu blasen. Bei der "Deutschen Atlantischen Gesellschaft", einem NATO-Fan-Club mit weitreichenden Beziehungen ist Speckmann gern gesehener Gast. Dort darf er schon mal über das "Imperium wider Willen, Europa in der Rolle Amerikas" referieren: Wir sind ungern imperialistisch, sagt uns der Titel, aber wenn man uns zwingt?! So zahlt der Steuerzahler zweimal für einen tückischen Schützen, dessen Hecke aus einem Schreibtisch gemacht ist: Einmal Honorar für den Lehrbeauftragten einer staatlichen Universität, dann Gehalt für den Mitarbeiter im Staatsapparat des Dr. Rüttgers. Es bleibt die Frage nach den Zielen des NRW-Ministerpräsidenten: Soll Speckmann einen Krieg mit Holland um die Erdgasfelder in der Nordsee vorbereiten oder coacht er nur die Machtfantasien eines CDU-Funktionärs, der sich als nächster Kanzler sieht?