"Dont´cry for me, Dscher-ma-nia", wird sie singen, während im Hintergrund die Fischer-Chöre mit einem zarten, wiegenden Säuseln an das unsterbliche Lied der Evita Peron erinnern. Und Stephanie Freifrau von und zu Guttenberg wird dezent die Hüften bewegen und fast so wirken wie Madonna, die das Lied so erfolgreich interpretierte. Dass ihr Mann, der Verteidigungsminister und Darling der deutschen Öffentlichkeit, besser aussieht, als der alte Juan Peron, der Expräsident von Argentinien, kann der Ur-Urenkelin des großen Bismarck nur recht sein: Die Guttenbergs sind das neue Traumpaar der deutschen Medien und es kann nicht lange dauern, da entdeckt das auch der Rest von Europa: Was soll uns Carla, die Bruni, was soll uns Sarkozy der Verkürzte: Wir wollen Stephanie!
Eine düstere Musik zieht die Bilder der RTL 2-Serie "Tatort Internet" zusammen. Hektische Kamera-Leute, wuselnde Assistenten, ein Personenschützer, eine Journalistin. Wo bleibt Stephanie zu Guttenberg? Denn die ist immerhin die Co-Moderatorin der Sendung "Tatort Internet" auf RTL 2. Dort
jagt man Kinderschänder und gleich wird einer reinkommen, und der ist dann erlegt, wie das Wild auf den sonntäglichen Treibjagden, die der Adel auf seinen Ländereien bis heute pflegt. Doch während das erschossene Bambi Mitleid erregt, wird die Schänder-Sau vor das Objektiv gezerrt und, wenn auch gepixelt, an den Pranger gestellt: Denn der potentielle Täter hatte über das Internet versucht eine Vierzehnjährige zu verführen.
In einer anderen Folge zieht eine Elfjährige ihr Oberteil hoch, entblößt sich. Ein angeblich 16-Jähriger hatte sie im Internet-Chat dazu aufgefordert. Beim RTL 2-Interview sagt sie: "Hab ich dann halt gemacht". Noch mal und noch mal und noch mal zeigt RTL diesen Filmausschnitt. Die Methode ist aus der Bild-Zeitung bekannt: Eine lüsterne Überschrift, ein Text mit allen Details einer Vergewaltigung, der kommentierende Redakteur, der zwar empört auf die sexuelle Brutalität hinweist, sie aber in möglichst jeder Einzelheit auswalzt und, neben seinen privaten, voyeuristischen Vorstellungen, nur einen Gedanken memoriert: Auflagenzahlen, Auflagenzahlen! So, wie die Jäger von der Wald-Hege reden und an nichts anderes denken an als ihr Schieß-Vergnügen.
Mehr als 12.000 Kinder werden in Deutschland jedes Jahr sexuell missbraucht. Über die Hälfte der Opfer ist mit dem Täter verwandt. Der Rest der Fälle verteilt sich wesentlich auf Lehrer, Sozialarbeiter und, wie man aus der jüngeren Zeit weiß, ein gewisses Quantum Geistlicher. Wird die blonde Freifrau jetzt die Familie in das Zentrum der Pädophilen-Jagd stellen, oder gar die Kirche? Natürlich nicht, denn das kann ihrem Mann, dem CSU-Schönling auf der Jagd nach Terroristen nicht in den Karriere-Kram passen: Die Familie ist der Hort christlicher Moral und die Kirche ist ihr Prophet, also Hände weg. Nur nicht auf den Kern des Themas kommen, nur ja was machen, was populistisch verwertbar ist. Auch wenn die Internet-Fälle noch keine statistisch erfassbare Größe erreicht haben, bei RTL bestimmt die Quote, dass im Netz die abzufilmende Sauerei statt findet, denn hier können sie die geilen Bilder sehen.
Wie freizügig der Ausschnitt der späteren Guttenberg war, als sie ihren Mann vor vierzehn Jahren auf der Berliner Love-Parade kennen gelernt hat, ist unbekannt. Dass die Zuschauer während der letzten Bambi-Verleihung Befürchtungen hatten, der Dame könnten die Pfunde aus dem Dekolleté springen, ist mit TV-Aufnahmen belegt. Mode-Experten der Frauenzeitung "Brigitte" machten sich schon beim Bayreuth-Auftritt der Freifrau Sorgen: "Das Dekolleté: Es wirkt eine Idee gequetscht, so als würde die silberfarbene Empiretaille die Brust der Guttenberg-Gattin korsettieren. Und seitlich reichte wiederum der Seidenstoff nicht." Und: ". . . allerdings wäre weniger doch mehr gewesen", schreibt "Brigitte" über jene Politikerfrau, die sich, der Sittlichkeit wegen, gegen den "Porno-Chic" vieler Popstars wendet.
"Solche Typen wie Sie, die spür ich reihenweise auf“, schnauzt Beate Krafft-Schöning, die Journalistin im Team der Freifrau, einen der scheinbar entlarvten Schänder an. Er war auf einen Lockvogel von "Tatort Internet" reingefallen und sitzt jetzt vor der TV-Justiz. Frau Krafft-Schöning hatte den bisherigen Höhepunkt ihrer journalistischen Tätigkeit als Redakteurin beim "Weser Kurier/Osterholzer Kreisblatt". Später saß sie dann im Lobby-Büro der "Atlas Elektronik", einer Rüstungsfirma. Da lernt man offensichtlich die Gesetze zu umgehen, nicht einzuhalten. Denn für das, was das Guttenberg-Team via RTL und dessen Lockvögeln macht, ist nach dem § 26 des Strafgesetzbuches der Staatsanwalt zuständig, man nennt es "strafbare Anstiftung" und natürlich ist es ein Offizialdelikt, ein Verbrechen, das die Justizbehörden auch ohne Anzeige verfolgen müssten. Aber der Frau eines Verteidigungsministers wird man doch kein Verfahren anhängen.
Die Guttenberg-Story ist der bisherige Höhepunkt politischer Schaumschlägerei in Deutschland. Aufgekocht wird eine Brühe aus nassforschem Gel, Quotengeilheit und blonder Adelsunschuld, die, von keinem Inhalt, keiner Sachkenntnis berührt, mit miesen Sex-Geschichten gewürzt, als Gleitmittel für die Karrierebahn genutzt wird. Vielleicht wird die Guttenberg demnächst "unsere Lena" verdrängen und beim nächsten Song-Contest singen. Spätestens dann sollte sich die Kanzlerin warm anziehen und der UN-Generalsekretär sich fragen, ob er seinen Job nicht lieber freiwillig dem Guttembergschen Hollywood-Paar übergeben sollte. Es ist zum Heulen, Deutschland.