"Heiliger Vater, wir sind uns nie begegnet, dennoch sind Sie mir nah: in Ihren Reden, Predigten und Schriften", so gratulierte Steffen Seibert, der künftige Sprecher der Bundeskanzlerin, dem Papst zum 80. Geburtstag. Seibert, jene geföhnte und geschönte Erscheinung, die uns bisher aus den Heute-Nachrichten heraus anschaute und das Gefühl vermittelte, alles würde gut ausgehen, wechselt angeblich die Seiten: Vom Journalismus auf die Regierungsbank.
Vom ZDF, einem Sender, der sich grundsätzlich das rechte Auge zuhält, um gute Gefühle zu vermitteln, einem Sender dessen CDU-Nähe nicht erst seit dem Rauswurf von Nikolaus Brender notorisch ist, von dem aus wechselt man nicht die Seiten, wenn man die schlechte Politik der CDU-Kanzlerin besser verkaufen soll. Steffen Seibert wechselt nur die Abteilung: Vom Marketing in das Product-Management. Das gilt in der Firma immer als Aufstieg.
Seibert übernimmt den neuen Job nach eigenem Bekunden "...weil ich überzeugt bin, dass die Bundesregierung unter Angela Merkel die richtigen Schwerpunkte setzt, um unserem Land in diesen schwierigen Jahren eine gute Zukunft zu sichern." Nun sprechen Zustand von Land und Regierung Seiberts Überzeugung Hohn. Deshalb könnte man annehmen, dass der neue Regierungssprecher schon vor Antritt des Amtes mit dem glatten Lügen begönne. Doch weit gefehlt: Seibert ist überzeugter Katholik und Katholiken lügen nicht.
"Als Sie (gemeint ist Benedikt XVI) Ihr Amt antraten, als ein einfacher Arbeiter im Weinberg des Herrn, wie Sie der Menge damals zuriefen, da stand ich auf einem römischen Hausdach ganz in Ihrer Nähe. Ich wusste gleich, und ohne dass ich es mir hätte erklären können, dass damit auch für mich etwas Wichtiges begonnen hatte, dass Sie mir ein Lehrer und Hirte sein würden." Es muss diese tiefe Glaubensgewissheit sein, die dem Steffen Seibert die Überzeugung von den richtigen Merkelschen Schwerpunkten eingibt. Denn wenn der HERR es richtet, dann sind Krieg und Armut allemal in Ordnung.
Zudem will Steffen Seibert die Hoffnung nicht aufgeben, dass Günther Jauch Kanzler wird: "Der Mann ist hochintelligent, er ist sympathisch, er kann reden wie ein Buch", entfuhr es dem designierten Regierungssprecher auf die Frage, ob Jauch denn nicht der bessere Kanzler sei. "Aber was nützt es, darüber zu reden, wenn Günther Jauch nicht will?", fügte er resigniert hinzu. Das wäre was: Der Rate-Onkel von RTL macht den Kanzler und Seibert formuliert künftig jene Fragen vor, die von den Journalisten an den Kanzler gestellt werden dürfen. Das alles hatte der Fünfzigjährige in der von ihm moderierten ZDF-Casting-Show "Ich kann Kanzler" schon üben dürfen. In deren Ergebnis kam dann auch genau jener aalglatte CDU-Jüngling als Sieger heraus, der Seiberts Hoffnungen repräsentiert.
Nach eigenem Eingeständnis war der junge Seibert nicht sonderlich politisch. Aber: "Ich bin auf eine sehr politisierte Schule gegangen, also habe ich vorschriftsmäßig auch an all den Anti-AKW und Anti-Kultusministeriums-Demonstrationen teilgenommen." Vorschriftsmäßig: So stellt sich der künftige Kanzlerin-Sprecher bis heute die Politik vor. Irgendwo ganz oben werden die Vorschriften vorformuliert, die wir dann aus dem Munde Seiberts entgegennehmen und umsetzen dürfen. Immerhin weiß er von sich: "Ich bin der Mann, mit dem man gut Frauenfilme ansehen kann." Aber ob das ein Trost ist?
Zur Finanzkrise wusste Seibert schon mal zu sagen: " Es hat auch ganz viel mit uns zu tun. Wir sind die Wirtschaft. Wir sind auch die Finanzwirtschaft. Unsere völlig überzogenen Hoffnungen, dass die zweistelligen Renditen nur so vom Himmel fallen könnten, haben das alles ja erst möglich gemacht." Auch wenn dieses implizite Eingeständnis, sich verspekuliert zu haben, ganz rührend rüber kommt: "Wir" sind nicht das System, "wir" sind nicht die Profiteure. Und "wir" wollen auch nicht für deren Krise zahlen, selbst wenn Seibert sich das so denkt.
Ab August soll Steffen Seibert also versuchen, aus schlechten Regierungs -Nachrichten gute Medienresonanz zu erzeugen. Der TV-Journalist, der im katholischen DOM-Radio gerne Auslegungen des Evangeliums von sich gibt, weiß, dass die deutsche Übersetzung von "Evangelium" "frohe Botschaft" bedeutet. Solche will er künftig nur noch vermitteln wollen. - "Du sollst kein falsches Zeugnis ablegen", heißt es in den Zehn Geboten. Für Seibert ließe sich das Gebot straffen: Du sollst kein falsches Zeugs reden. Das wird in der neuen Funktion kaum möglich sein. Aber der gläubige Katholik hat es leicht: Er legt einfach die Beichte ab. Und so erleichtert, kann er mit der Lügerei von vorne anfangen.