Als Mäzen wird er gelobt, als einer, der eine Leidenschaft für Kunst hat. Als Glücksfall wird der Kauf der "Holbein-Madonna" durch Reinhold Würth bezeichnet, weil der Schraubenhändler etwa 55 Millionen Euro auf den Tisch legen konnte, denn andernfalls hätten die hessischen Landgrafen ihre Schutzmantel-Madonna ins Ausland verkauft. Und wer sich wundert, woher ein Vorbestrafter so viel Geld nimmt, der muss nur fragen wo der Mann seinen Wohnsitz hat: Im Steuerparadies Österreich. Und wo mag sein Firmensitz sein? Im Steuerhimmel Schweiz. Schon zerteilt sich der Weihrauch um den Milliardär ein wenig und gibt den Blick auf ein Europa frei, dessen Staaten verschuldet sind, dessen Bürger unter den Sparmassnahmen ächzen und dessen Unternehmer kostbare Werke der deutschen Renaissance aus der Portokasse zahlen können.
Schon damals, 1526, als Hans Holbein sein Meisterwerk schuf, sollte es den Ruhm eines Stifters mehren: Der Basler Bürgermeister, Jakob Meyer zum Hasen, ließ sich samt seiner Sippe auf der großformatigen Tafel verewigen: Frau, Tochter und er knien zwar vor der Madonna, sind aber kaum kleiner als die Gottesmutter. Es steht zu vermuten, dass mit dem Bild Wahlkampf betrieben werden sollte: Katholiken gegen Protestanten. Auf dem Kunstmarkt wurde das Bild, von Verkauf zu Verkauf, immer wertvoller und landete schließlich bei den Großherzögen von Hessen. Deren Ahnherr, Philip der I., hatte nicht nur aus seinen Bauern genug herausgepresst, um seiner Familie ein üppiges Vermögen zu hinterlassen. Er gilt auch als Erfindern der Vermögenssteuer, mit der er den anderen Landeskindern, Handwerkern und Händlern, die Taler aus der Tasche zog.
Als die Weimarer Republik die deutschen Fürsten enteignen wollte, fiel dem fürstlichen Haus Hessen ein schöner Hinterziehungstrick ein: Man gründete eine Hausstiftung, die angeblich keinen anderen Zweck verfolgte, als die "Kulturwerte" des Fürstenhauses zu erhalten. Dass diese Betrugsstiftung bis heute nichts anderes unternimmt, als der adligen Sippe ihrer Pfründe zu sichern, lässt sich auch daran erkennen, dass die Hausstiftung jetzt den Holbein verkauft, um ihre Erbschaftssteuer zu bezahlen. Und hier schließt sich der Kreis: Die einen verkaufen Kunstwerke, die eigentlich der deutschen Bevölkerung gehören, an den anderen, dessen Vermögen auch aus der deutschen Bevölkerung stammt, die das Bild demnächst in einer der Würth-Museen bewundern darf. Solange es dem Milliardär gefällt.
Denn Reinhold Würth hält die Bundesrepublik, die ihm eines schrecklichen Tages ein Steuerverfahren beschert hatte, für eine "Edel-DDR" und kann sich bis heute darüber aufregen, dass ihm im Zuge eines Steuerhinterziehungs-Verfahrens eine Vorstrafe aufgebrummt wurde. Wer weiss, wann auch er "seine" Bilder steuergünstig auf Guernsey parkt, wie der Sammler Flick. Der Mann, der behauptet, die Deutschen lebten im "Schlaraffenland", nimmt natürlich auch an, dass die Lohnkosten zu hoch sind und die Deutschen zu viel Freizeit hätten. Wer es zu einer Gemäldesammlung von 12.500 Bildern, zu einem privaten Jet und natürlich einer Hochsee-Yacht gebracht hat, kann gut an ein Schlaraffenland glauben. Für die anderen, zum Beispiel seine Außendienstmitarbeiter, hat er brieflich weniger schöne Lebensentwürfe: "Nachdem Würth weder ein zweites Arbeitsamt noch ein Sozialinstitut ist, bitte ich um Verständnis, dass wir die Zusammenarbeit nur fortsetzen können, wenn Sie ganz kurzfristig und zackig die Zahl der selbst getätigten Aufträge pro Arbeitstag erhöhen."
So macht die christliche Holbein-Madonna eine wundersame Wanderung vom Großherzog zum Schraubenkönig und kann nicht verhindern, dass der Tanz um das goldene Kalb zur einzigen wirksamen und respektierten Anbetung geworden ist und ihr Heiligenschein erneut der Scheinheiligkeit vorgeblichen Mäzenatentums dient.