Du sollst nicht töten: Das ist immerhin das fünfte der zehn Gebote, verfügt also im Gebote-Ranking der christlichen Kirchen über einen guten Mittelplatz. Nach langen Jahren des Afghanistankrieges, in denen von katholischer oder evangelischer Seite kaum ein Wort zum mehrfach durch die deutsche Armee gebrochenen Gebot zu hören war, hat sich die evangelische Bischöfin Käßmann immerhin zu einem "Nichts ist gut in Afghanistan" aufgerafft. Doch Reinhold Robbe, der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, mochte das nicht hinnehmen. Er empfahl der Bischöfin, sie solle sich doch "am Hindukusch mit den Taliban in ein Zelt setzen und über ihre Phantasien diskutieren". Nun war der in Ostfriesland geborene Robbe ursprünglich mal Kriegsdienstverweigerer, weil ihm niemand erklären konnte, „weshalb ich im Verteidigungsfall auf meine Verwandten in Thüringen und Sachsen schießen sollte“. Das war zu Zeiten löblich. Aber vielleicht hätte dem Robbe damals jemand erklären sollen, dass die Armee der DDR gar keinen Überfall auf die Bundesrepublik plante. Dann hätte Robbe gedient und wirkliche Kenntnisse über den verstörend einfältigen Alltag der Truppe gewinnen können. Möglicherweise hätte ihn diese Einsicht vom dummen Daherreden abgehalten.
Reinhold Robbe ist Mitglied der "Gesamtsynode der Evangelisch-reformierten Kirche", jenem strengen Zweig der Evangelen, der sich auf Calvin und Zwingli beruft. Es ist nicht auszuschliessen, dass der Synodale mit seiner Rüpelei gegen die Bischöfin auch einen innerkirchlichen Fraktionskampf austragen wollte. Der Wehrbeauftragte, so sagt das eigens für ihn geschaffene Gesetz, soll tätig werden, wenn die Grundrechte der Soldaten verletzt werden. Dass zu den Grundrechten auch die Verfassung der Bundesrepublik gehört, die für die Bundeswehr ausdrücklich nur die Landesverteidigung vorsieht, und dass in Afghanistan anderer Leute Land besetzt wird, ist dem Elefanten sammelnden Ostfriesen bisher offenkundig nicht aufgefallen. Statt dessen konnte sich Robbe vorstellen, dass in allen Kirchen in Deutschland an einem Sonntag des Jahres ein einheitliches Gebet mit einem Segenswunsch für die im Einsatz befindlichen Soldaten gesprochen werde. Würde man seine Vorwürfe gegen Frau Käßmann zum Maßstab nehmen, käme automatisch die Frage auf, ob denn die Taliban von den Segenswünschen sonderlich beeindruckt werden könnten. Statt dessen ergibt sich eine andere Frage: Ob wir es bei Robbe mit einem gefährlichen christlichen Fundamentalisten zu tun haben, der den Krieg in Afghanistan von den Kanzeln herunter heiligen und so einem neuen Kreuzzug zu gesellschaftlicher Akzeptanz verhelfen will.
Dass ausgerechnet in Robbes Heimat, im ostfriesischen Leer, immer noch eine Lettow-Vorbeck-Kaserne steht, ist dem äußerst rechten Sozialdemokraten bisher noch nicht aufgefallen. Immerhin ist Lettow-Vorbeck (einstiger Offizier der deutschen "Schutztruppen" in Afrika) als Schlächter der Hereros bekannt. Weniger bekannt ist Lettow-Vorbecks Teilnahme am Kapp-Putsch gegen die Regierung der Weimarer Republik und die Tatsache, dass der 68-jährige im Jahr 1938 von Hitler zum "General zur besonderen Verwendung" ernannt wurde. Diese besondere Sorte von Traditionspflege stört den Wehrbeauftragten, der auch aktives Mitglied der "Deutsch-Israelischen-Gesellschaft" und der NATO-Lobby "Deutsche Atlantische Gesellschaft" ist, offenkundig wenig. Ganz in der Tradition Lettow-Vorbecks steht Robbe, wenn er vielen Staaten Zentralafrikas "Auflösungserscheinungen" attestiert und für ein deutsches Eingreifen plädiert: "Können und dürfen wir dann als Christen und gerade auch als Christen mit politischer Verantwortung diesen Entwicklungen einfach nur zuschauen oder müssen wir nicht vielmehr bereits . . . alles dafür tun, damit die reichen und freien Mitglieder der Staatengemeinschaft ihrer tatsächlichen Verantwortung nachkommen." Was Robbe unter Verantwortung versteht ist in Afghanistan zu besichtigen.
Im Mai diesen Jahres soll Robbes Amtszeit enden. Und sicher könnte die von der Union geführte Regierung sich auch einen Wehrbeauftragten aus den eigenen Reihen vorstellen. Aber wenn man ihn doch noch mal fragen würde „dann würde ich glatt noch einmal zur Verfügung stehen“, sagt der Mann, der für seinen Job monatlich 11.500 Euro einstreicht. Eine Perspektive in der SPD oder einem anderen parlamentarischen Amt ist für den 55-Jährigen nicht auszumachen. Und so sind seine Ausfälle als schlichte Hilferufe zu verstehen: Meine Rente ist zu klein, einen neuen Job sehe ich nicht, bitte liebe Frau Merkel, lassen Sie mich doch noch eine Runde als Wehrbeauftragter drehen. So schmäht der Schmock des Monats Januar eine Bischöfin als Populistin aus dem besten aller Motive: Geld.