Was mag Peter Sloterdijk, Rektor der staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe, monatlich an Gehalt bekommen? Es werden kaum unter 10.000 Euro sein. Davon muss Sloterdijk Steuern zahlen. Das wurmt ihn. Und weil ein Philosoph nicht einfach sagen kann, dass er, wie andere auch, lieber keine oder weniger Steuern zahlen würde, schreibt er ein "Manifest" zum "Aufbruch der Leistungsträger". Veröffentlicht in der letzten Ausgabe der Zeitschrift "Cicero". Das Blatt gibt sich intellektuell und gehört dem Schweizer Boulevardpresse-König Michael Rignier. Einer seiner Mitarbeiter ist der Ex-Kanzler Gerhard Schröder. Rignier ist ein reicher Steuerzahler, weil er gut geerbt hat, die Leistung Schröders besteht in der Zerschlagung SPD und der anschließenden Selbstsanierung durch milde Gaben aus dem Ausland. Sloterdijk bewegt sich gern in der Gesellschaft solcher Leistungsathlethen. Deshalb ist er auch im "Frankfurter Zukunftsrat". Gemeinsam mit der Witwe Schaeffler, deren jüngste Leistung aus einem langanhaltenden Schreien nach staatlicher Hilfe für ihr Spekulationsgeschäft mit dem Autozulieferer Continental bestand, der Gräfin Pilati, deren Spitzenleistung in einem medienöffentlichen Bad mit Rudolf Scharping gipfelte, und Friedrich Merz, dessen letzte bekannte Großtat in einer Büttenrede mündete, mit der er seinen Klienten Joachim Hunold, Chef der Air Berlin, nicht unerheblich anschleimte, um ihn zum Ritter "Wider den tierischen Ernst" zu befördern.
Kern der Sloterdijkschen These, ist die wohlfeile Überlegung, es gäbe die leistungstragenden "Steuraktivisten", solche die viel verdienen und deshalb fleißig Steuern zahlen und "Transfermassenehmer", die wenig oder keine Steuern zahlen und deshalb "aufgrund von sozialpolitisch festgelegten Ansprüchen die Kasse leeren." Muss ein Philosoph rechnen können? Vielleicht nicht, aber ein wenig Nachdenken würde den Transfer zur Wirklichkeit befördern: Es gibt die Mineralölsteuer, Leuchtmittelsteuer, Tabaksteuer, Schaumweinsteuer, Kaffeesteuer, Salzsteuer, Teesteuer, Zuckersteuer, Biersteuer, Branntweinsteuer, Getränkesteuer und die Stromsteuer. Und nicht zuletzt die Mehrwertsteuer. Längst machen die indirekten Steuern den Hauptteil des staatlichen Steueraufkommen aus. Solche Steuern zahlt der Hartz-IV-Empfänger wie all die anderen, die sonst mithilfe ihrer Steuerberater so wenig wie möglich an Steuern zahlen. Das, zumindest, hätte der Grossdenker Sloterdijk doch wissen können. Statt dessen: ". . . heißen Leistungsträger die 25 Millionen Steueraktiven, die vorläufig noch einverstanden sind, in Deutschland zu leben, und aus deren Einkommen sowie aus den davon abzuführenden Abgaben praktisch alles stammt, was die die 82-Millionen-Population des Landes am Leben hält."
Ganz sicher hält sich Sloterdijk selbst für einen Leistungsträger, schließlich zahlt er Steuern. An seiner Hochschule stellt er im Jahr ein paar hundert diplomierte Philosophen her. Wären es um die Hälfte weniger: Es würde niemand merken. Außer, dieser oder jener seiner Absolventen gehöre, Diplom hin oder her, nach dem Studium zu den "geringfügig entlohnten Beschäftigten". Die zahlen keine Steuern, weil sie für ein Almosen arbeiten: In Krankenhäusern, in Kindergärten in Parks und gemeinnützigen Einrichtungen. Würde sich die Leistungen dieser etwa fünf Millionen starken Gruppe halbieren, fiele der Mangel sofort auf. Wenn denn Bänker Steuern zahlen, manche von ihnen entwickeln eine beachtliche Phantasie bei der Vermeidung dieser lästigen Pflicht, stellt sich auch bei ihnen die Frage nach den herausragenden Leistungen. Vor der Krise hätten sicher viele Leute die Acker- und Lehmänner in die Leistungsschublade einsortiert. Inzwischen weiß sogar das sprichwörtliche Milchmädchen, dass die größte Leistung der internationalen Finanzweltler die Vernichtung von Milliardenwerten und von jeder Menge steuerpflichtiger Arbeitsplätze ist. Nur dem Philosophen, dem seine gebührenfinanzierte ZDF-Sendung "Das Philosophische Quartett", sicher als höchst wertvoll erscheint, dem ist das irgendwie entgangen. Falls er sich nicht mehr "einverstanden" erklären sollte "in Deutschland zu leben", würden die Daheimgebliebenen sein selbstgefälliges Gehabe kaum vermissen.
Um zu seiner These von den armen, gebeutelten Leistungsträgern zu gelangen, findet Sloterdijk erstaunliche Hülsen wie die Worte "Mangelrhetorik" und "Mangeleinbildungen", die angeblich die Alltagskultur beherrschen. Die wirklichen Mängel einer TV-Ersatzkultur zur Betäubung der mangelhaft oder garnicht Beschäftigten fällt ihm nicht auf. Statt dessen erfindet er eine "Stolzkultur", deren Wesen er in "tieferen Momenten" findet, "die uns wirkliche Satisfaktion verschaffen . . . in denen der Einzelne sich seiner Geberqualitäten versichert". Entkleidet man den Satz seines monströsen Gedröhnes bleibt das Almosen: Milliardäre geben abgelegte Kunstgegenstände an öffentliche Museen, die staatlichen Universitäten betteln um private Spenden und der Leistungsträger, aus der Champagnerbar kommend, wirft großzügig sein Kleingeld in den Hut eines "Transfermassenehmers". Wer darauf stolz ist, der hat seinen Verstand schon lange in der Selbstsatisfaktion verwichst. Aus dem Sloterdijkschen Geschwätz-Automaten quillt nebenbei auch eine Helmut- Kohl-Charakterisierung: Der habe, schon durch seine formlose Physis, den finalen Konsumismus verkörpert. Wendet man die brillante Körper-Symbol-Analyse des Philosophen auf ihn selbst an, kommt man zu erstaunlichen Ergebnissen: Denn der Kopf des Denkers aus Karlsruhe wächst ihm ohne Hals aus dem Körper. Und ein eingezogener Kopf gibt beim Hund wie beim Menschen untrügliche Hinweise auf den Schwanz. Gern wird die Feigheit als Altersweisheit ausgegeben. Doch der Versuch von Sloterdijk, den billigen FDP-Jargon zur Philosophie aufzublasen, ist nichts anderes, als eine intellektuelle Fehl-Leistung.