Düster aber seriös schaut er Dich aus der Glotze an: Meinhard Miegel der Professor. Und er warnt Dich: Kehre um, sagt er, bereue, die Zeit der großen Wohnungen ist vorbei, spiele ein Instrument! - Das hast Du nicht verstanden. Aber der Grundton der Botschaft, er ist so eindringlich. Und dann ist der Mann auch ein richtiger Professor. Wie einst Ludwig Erhard oder Professor Brinkmann von der Schwarzwaldklinik. Der eine vollbrachte das Wirtschaftswunder, der andere heilte die Menschen. So ist der deutsche Professor ein Wesen, zusammengesetzt aus Kompetenz, Reputation und einem Heiligenschein, das uns in der Krise Rettung bringen wird, wenn nicht gar Erlösung.

Meinhard Miegel spielt schon ein Instrument: Das Medienklavier. Kaum ein scheinbar seriöser Kanal oder ein vermeintliches Intelligenzblatt, das zur Zeit ohne Miegel erscheinen kann. Denn guter Rat ist in diesen Tagen teuer. Da tut es zuweilen auch ein schlechter: "Was ist eigentlich so schlimm daran, wenn das Wirtschaftsvolumen auf das Niveau von 2005 zurück geht?" fragt der Professor und rät dringend von weiterem Wachstum ab. Die Fähigkeit ein Instrument zu spielen, tröstet er, mache viel zufriedener, als irgendein Luxus, wie eine große Wohnung zu Beispiel. Aber: "Ich fürchte, viele sind nicht mehr krisentauglich". Trotzdem sieht er in der Krise viel Positives.

Als die Krise noch nicht so recht erkennbar war, ging das Mitglied des Konzernbeirates der AXXA-Versicherung der Rente wegen um: Die staatliche Vorsorge reicht nicht, raunte Miegel, private Vorsorge muss sein, mahnte der Berater des von der Deutschen Bank finanzierten "Deutschen Instituts für Altersvorsorge". Und weil sich allerlei Sozialschmarotzer an staatlicher Fürsorge bedienten, wusste Miegel schon vor Jahren zu sagen: "Wer von uns bereit ist, den niedrigeren Lebensstandard hinzunehmen, . . . der hat im internationalen Wettbewerb die Nase vorn." So sollte der Niedriglohnsektor ausgeweitet werden, damit die deutsche Republik wettbewerbsfähig werden könne.

Bei Henkel, dem Chemiekonzern, der immer noch das beste Persil aller Zeiten produziert, begann Meinhard Miegel seine Karriere als Anwalt. Dort traf er auf seinen Mentor Kurt Biedenkopf, dem er schnell als Mitarbeiter folgte als der CDU-Genralsekretär wurde. Auch als Biedenkopf in Sachsen eine Stelle als kleiner König antrat, war Miegel nicht weit: Er wurde "außerplanmäßiger" Professor in Leipzig. Obwohl er dort durch mäßige Leistungen glänzte, war der Job kaum außer Plan seiner politischen Gönner. Immerhin war er zeitgleich Vorsitzender der "Kommission für Zukunftsfragen" der Freistaaten Bayern und Sachsen. Während seine Zukunft eindeutig gesichert war, sah er für die Zukunft der staatlichen Rente schwarz: Ohne private Zusatzversicherung könne keiner mehr auskömmlich leben.

Solcherlei Rentenweisheiten heckte er geneinsam mit seinem Freund Kurt im "Institut für Wirtschaft und Gesellschaft" aus, das rechtzeitig vor dem allgemein bekannten Zerplatzen privater Rentenversicherungen aufgelöst wurde. Doch Miegel kann es nicht lassen: Wieder steht er einem Institut vor, dem "Denkwerk Zukunft". Dort will er nicht weniger erreichen als "eine Erneuerung der westlichen Kultur". Denn die Kassen sind leer und das könnte bei diesem oder jenem zu "heftigen Reaktionen führen - bis hin zur Infragestellung der freiheitlich-demokratischen Ordnung. Solchen Reaktionen gilt es vorzubeugen oder sie zumindest zu dämpfen." Also bevor die Armen die Ordnung infrage stellen, sollen sie lieber ein Instrument spielen lernen.

Wer sich die Sponsoren der Stiftung "Denkwerk Zukunft" anschaut, der wird schnell die "Deutsche Industrie Service AG", eine Teilzeitarbeitsfirma, finden. Deretwegen also muss die "westliche Kultur" erneuert werden. Das, was uns jetzt noch als Kulturpessimismus begegnet, wird in der Botschaft des Verzichts münden: Verzichte auf einen festen Job, arbeite Teilzeit! Verzichte auf einen ordentlichen Lohn, dann bist Du besser vermittelbar! Verzichte auf das Wachstum Deines Gehaltes, das ist der Ausweg aus der Krise! Werde arm, dann wächst der "innere Reichtum".

Unter Arschgeige versteht der Volksmund ein Instrument, das mit den Darmwinden betrieben wird. Dieser Geige entlockt der Professor jene Moll-Töne, die zur Zeit so gerne gesendet oder gedruckt werden. Das sein virtuoses Spiel nichts anderes ist als der verlegene Furz des Neoliberalismus, scheint den Redakteuren bisher nicht in den Sinn gekommen zu sein.