Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung - Zeitung für Deutschland" portraitiert auf ihren Seiten regelmäßig Persönlichkeiten, die sie für bedeutend hält. Mal sind es bekannte Politiker, dann herausragende Sportler, diesmal gilt der publizistische Ritterschlag einem Militär: Harry Harris, der Komandant des Gefangenenlagers in Guantanamo, wird von Matthias Rüb angehimmelt und zitiert. Es ist der Harris, der nach den Selbstmorden im Lager Guantanamo von "Einem Akt der asymetrischen Kriegsführung" gesprochen hat.
Rüb lobt ihn, der "auch und gerade wenn die Welt und ein wachsender Teil der amerikanischen Bevölkerung die Richtigkeit und die Wichtigkeit dieses sonderbar exterritorialen Lagers immer vernehmlicher bezweifeln", tapfer seinen Dienst tut. Wir wissen nicht, wie Rüb, wäre er in der passenden Zeit Lohnschreiber gewesen, das Lager Auschwitz bezeichnet hätte. Vielleicht als exorbitant, oder extraordinär, weil die Begriffe, ähnlich wie "exterritorial", ja etwas beschreiben, was außerhalb unserer Begrifflichkeit, unseres Erkenntnisvermögens und unserer Einflussmöglichkeit liegt. Auch der Begriff "sonderbar" hätte in Rübscher Lesart gut auf Buchenwald oder Bergen-Belsen gepasst.
Nun erzählt der amerikanische Präsident, und Herr Rüb stellt das in seinem Portrait des Lagerkommandanten Harris nicht infrage, dass in Guantanamo Bay nur Terroristen einsitzen. Wie er das, ohne jedes juristische Verfahren, hat feststellen können, werden wir sicher nie erfahren. Der Kombattant Rüb hätte aber aus seiner eigenen Zeitung, sogar in der selben Ausgabe nur ein paar Seiten weiter vorne, lesen können, dass Terroristen nicht immer gleich Terroristen sind. Eliezer Sudit, in den fünfziger Jahren Mitglied in einer israelischen Terrorgruppe, später lange Jahre Mitarbeiter des Geheimdienstes Mossad, hatte 1952 von Menachim Begin, dem späteren Ministerpräsidenten Israels, den Auftrag erhalten, Konrad Adenauer mit einer Bombe umzubringen.
Ob "Palmach" oder "Irgun", die bewaffneten Formationen des sich gründenden Israel kannten kein Pardon, wenn es sich um Terrorakte gegen die Palästinenser oder die britische Mandatsmacht handelte. Auch noch nach der Gründung, die politischen Fraktionen des neuen Staates waren sich nicht sonderlich grün - Begin zum Beispiel hielt den ersten Staatspräsidenten Ben Gurion, der mit dem ersten bundesdeutschen Kanzler Adenauer verhandelte, für ein progermanisches Weichei - war der Einsatz von Bomben nicht auszuschließen ("Attentat auf Adenauer" , Henning Sietz, Siedler Verlag, 2003).
So kann es gehen, Herr Rüb: Gestern noch Terrorist, heute schon Staatspräsident, morgen Friedensnobelpreis. Das wird dem beschriebenen Konteradmiral Harris allerdings nicht geschehen. Auch wenn das Navy-Grußzeremoniell, von Rüb andächtig zitiert, "Durch Ehre verpflichtet ... die Freiheit zu verteidigen" lautet, ist mit Guantanamo keine Ehre einzulegen. Seine Pflicht tue der Lagerchef, attestiert ihm Rüb, wenn er über den von aller Welt bezweifelten Harris zu erzählen weiß: "Der Kapitän geht als letzter von Bord." Harris wird als Chef eines Lagers von Bord gehen, in dem Menschen unter menschenunwürdigen Bedingungen gehalten werden.
Adenauer, wir wissen es, hat das Attentat überlebt. Der Münchner Brandmeister Karl Reichert, der im März 1952 versuchte die Bombe zu entschärfen, kam dabei um. An das erste deutsche Opfer im Kampf gegen den Terror erinnert kein Mahnmal, keine Gedenktafel. Und das ist, denkt man an den zwölfjährigen Naziterror, auch gut so. Aber dass ein hirnloser, geschichtsvergessener, politischer Idiot eine Laudatio für einen uniformierten US-Terroristen in einem auflagenstarken deutschen Blatt sudeln darf, das ist schlecht. Kennzeichnet es doch die schleimende Verfassung einer Zeitung, die sich zugute hält, die deutschen Eliten zu informieren: Berauscht vom eigenen Ruf, korrumpiert vom Gefühl des Dazugehörens und blind für die Schrift an der Wand, die davon erzählt, dass Imperien,die nicht auf Recht gegründet sind, die Gepflogenheit haben unterzugehen.