Wider alle journalistischen Gepflogenheiten widmet der »Spiegel« einem emeritierten Professor mit zweifelhafter beruflicher Zukunft eine Titelstory und geschlagene siebzehn Seiten im Blatt: Joschka Fischer ist aus den USA zurück. Eine Beraterfirma habe er gegründet wird berichtet. Pünktlich zum Erscheinen seines ersten Biografie-Bandes könnte man die freundliche Hilfe des »Spiegels« als verkaufsfördernde Maßnahme begreifen, wenn Fischers Verlag genug Geld hätte, sich dafür mit Anzeigen zu bedanken. Hat er aber nicht. Es geht um eine andere Pünktlichkeit: Die brave Grüne Partei, die bis jüngst die Militarisierung der bundesdeutschen Außenpolitik mitgetragen hat, wackelt. Da braucht es Hoffnungsträger, auch wenn sie schon ein wenig in die Jahre gekommen sind: Vielleicht kann Fischer die Grünen doch wieder auf den rechten Pfad bringen.
Wer Fischers Buch gelesen hat, der weiß, dass es der alte, machtgeile, von wenig Kenntnissen oder gar Selbstkritik getrübte Schnellschwätzer ist, der uns im verschlissenen Gewand des Staatsmannes gegenüber tritt: »Für mich war klar, dass Antizionismus letztendlich nichts anderes als Antisemitismus war«, schreibt er und meint, wer Kritik an israelischer Politik übt, der ist Antisemit. Kein noch so preiswerter Holzhammer ist ihm peinlich, wenn er für den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan plädiert oder sich für schärfere Sanktionen gegen den Iran ausspricht. Und eins ist völlig klar: »Die massive Präsenz der USA in Afghanistan ist die Voraussetzung dafür, dass die Bundeswehr und deutsche Entwicklungshelfer ihre Aufbauarbeit leisten können.« Da muss dieser oder jener Kollateralschaden eben in Kauf genommen werden.
Acht Jahre nach dem völkerrechtswidrigen Einsatz im Kosovo fällt dem Mann, der die Grünen zur Kriegspartei gemacht hat, folgendes ein: »Angesichts der Blockade des Sicherheitsrates mussten daher neue Wege gegangen werden, um dieses Dilemma aufzubrechen.« Da hebeln wir doch die UNO aus, sagt Fischer am deutschen Stammtisch, was Auschwitz ist, bestimme ich. Auch dieser Gedankenstärke wegen hält der ehemalige Außenminister den »Hufeisenplan«, ein Propagandastück aus der Schublade des Joseph Göbbels, mit dem die Deutschen für den Krieg weichgekocht werden sollten, für nichts anderes, als die legitime Antwort auf die Propaganda der Serben. Auch was aus dem Kosovo geworden ist, ein korruptes Armenhaus ohne Perspektive , ficht den politischen Autisten Fischer nicht an. Verantwortung, Amtseid, internationale Regeln, das alles ist dem Grünen gleich, solange sein geschwollenes Ego ausreichend Futter bekommt.
Ob Fischer bewusst lügt oder längst in einer Wirklichkeit gefangen ist, die er aus der eigenen Psyche bezieht, ob es seine Angst vor der mangelnden Bedeutung ist oder ob er inzwischen seinem selbstgefertigten Weltbild auf den Leim geht, ist gleichgültig. Er ist fraglos der Schmock des Monats Oktober 2007 und kann sich gute Chancen ausrechnen der Schmock des Jahres zu werden.