Er hätte es klirren hören müssen. Als der Kölner Kardinal Meisner sein aktuelles Pfingst-Interview gab und den Deutschen vorwarf, sie seien ein "geistvergessenes Volk", hätten ihm die Scherben des Glashauses in dem er sitzt und gegen dessen Wände er seinen demagogischen Stein auf die Deutschen warf, ins Gesicht fliegen müssen. Denn die Kirche, mit ihren fabelhaften Wundern, ihren bunten Heiligenbildchen und den populistischen Papst-Events, ist jene immer noch mächtige Institution, die von allen guten Geistern verlassen durch den Mund von Meisner sagen lässt, dass Abtreibung und Auswanderung "das Leben unter sich selbst vernichtet".
Meisner, der auch schon mal von "entarteter Kultur" redet, der die Abtreibung mit dem Holocaust vergleicht und natürlich an einer schweren Homophobie leidet, war ein DDR-Export. Lange Jahre, als Bischof von Erfurt, trieb er sein Wesen im Eichsfeld, einer katholischen Enklave im ansonsten entweder atheistischen oder evangelischen Thüringen. Obwohl eine Lehre als Bankkaufmann dem Spätberufenen eine Ahnung von Soll und Haben hätte beibringen können und seine Arbeit als Rektor des Erfurter Caritasverbandes auch soziale Einsichten, begreift der gerne Hass predigende Priester die steigende Zahl von Auswanderern nicht als soziales Phänomen sondern führt sie darauf zurück, dass die Deutschen ein Volk seien, dass seine "Kinder tötet".
Schon der Start Meisners in Köln, als er - gegen alle demokratischen Traditionen des Domkapitels, das seinen Erzbischof immer selber vorschlug - dem Bistum vom polnischen Papst diktiert wurde, stand unter dem Zeichen des besonders reaktionären Kirchenflügels. Wohl auch deshalb gehört er zu denen, die Johannes Paul II, den Mystiker auf dem Papst-Thron, schnellsten heilig sprechen wollen. Als sein Förderer verblich, schleimte sich Meisner umgehend beim neuen Machthaber der Katholiken, Benedikt XVI ein, dessen Wahl er als erstes, postmortales Wunder seines Vorgängers bezeichnete. Als weniger wundervoll empfindet der furchtbare Priester die 68er Generation, die er als "metaphysische Asylanten" beschimpfte, die ihre Kindern zu "Ersatzhandlungen wie etwa (dem) Griff zum Kondom und der Pille" verführen.
Obwohl der Kardinal schon feststellen mag, dass es Zeitungen gibt, die der Kirche wohl wollen, droht er doch den Journalisten der "Süddeutschen" in seinem Interview mit dem Deutschlandfunk an, dass sie spätestens nach dem Tod "Rechenschaft ablegen" müssen. Nur weil die eine Rede des Papstes vor der UNO als langweilig beschrieben hatten. Wenn es um ihn selbst geht, will er mit der Rache nicht so lange warten: Als ihm ein Redakteur der FAZ missliebig wurde - der hatte davon berichtet wie Meisner in den kirchlichen Fraktionskämpfen vorging - schickte er ranghohe Mitarbeiter zu den FAZ-Herausgebern, um den Journalisten zu denunzieren. Dass einer der Bistums-Gesandten auf den Namen "Schwaderlapp" hörte (Schwaadlappen, rheinisch: Schwätzer), muss zu den wahrhaften Wundern gezählt werden.
Journalisten gelten dem Kardinal als "Herrscher des Luftreiches", so benutzt er eine hübsche Metapher, die der Apostel Paulus für den Satan geprägt hat, für "die öffentliche Meinung, gegen die man sich nicht wehren kann, die man eigentlich einatmen muss." Dass er mit Bemerkungen, wie der Gleichsetzung einer Abtreibungspille mit dem in Auschwitz verwandten Giftgas, die öffentliche Meinung solange provoziert hat, bis sie ihm antwortete, ist dem Kardinal nicht begreiflich zu machen. In seinem Kampf um den Gottesbezug in der europäischen Verfassung, sieht er die "Rechte der kleinen Götter" ausgebreitet, "denn zu viele Götter machen das Leben hässlich und verwirrend." Eine seiner Fragen aus dem Interview wären allerdings gut mit ihm selbst zu beantworten: "Leben wir denn in einem Irrenhaus?"
Pfingsten gilt den Katholiken als Fest der Erleuchtung. Mit »Brausen» schreibt das Neue Testament, sei der Heilige Geist erschienen, um den Aposteln den Geist einzutrichtern, damit sie anschließend in allen möglichen Sprachen predigen konnten. Das Erlebnis der Erleuchtung ist an Joachim Kardinal Meisner offenkundig vorbeigegangen, eher scheint ihm, dem Schmock des Monats Mai, jemand das Licht der Welterkenntnis ausgeknipst zu haben.