Dass der Außenminister der USA gerne deutlich mehr Germans an der afghanischen Front sähe, versteht sich. Aber ein Niederländer, ein Bürger eines friedlichen, benachbarten Landes, der jetzt die Deutschen drängt, dem afghanischen Schlamassel mehr Menschenmaterial zu opfern, ein Holländer, aus dem Land der Koffie-Shops, der Teppiche auf den Tischen und des Carrellschen Akzents? Jakop (Jaap) Gijsbert de Hoop Scheffer, Generalsekretär der NATO, ist der Mann, dem es gar nicht deutsch genug sein kann in Afghanistan. Der Vater von zwei Töchtern - auch wenn er Söhne hätte, die müssten nicht in einem fremden Land für fremde Anliegen auf lebendige Menschen schießen, die Holländer haben eine Berufsarmee - ein aktiver Katholik, lobt die Deutschen scheinheilig in der Bild am Sonntag: "Deutschland leistet als Führungsnation im Norden vorbildliche Arbeit. Aus meiner Sicht könnte die Internationale Schutztruppe natürlich auch anderswo in Afghanistan mehr davon gebrauchen".

Der gewöhnliche Holländer erinnert die Deutschen eigentlich als Führer-Nation. Aus jener herrlichen Zeit, als die deutsche Armee erst Rotterdam bombardierte, um dann später das Land zu okkupieren und es dann beim Rückzug unter Wasser zu setzen. Ein paar Deiche mussten damals schon dran glauben. Sie als Führungs-Nation zu apostrophieren, dafür bedarf es bei einem Niederländer eines beträchtlichen Schleimpotentials. Deshalb schiebt der NATO-General-Sekretär auch schnell nach, dass die Deutschen prima ausgerüstet sind und eigentlich mit allem militärisch fertig werden können. Diese Eleganz der Rede könnte der junge Jaap damals gut auf dem von ihm besuchten St. Ignatius Gymnasium in Amsterdam gelernt haben. Eine von Jesuiten betriebene Schule, die nicht nur von Hollands Eliten-Zeitschrift "Elsevier" regelmäßig als bestes Gymnasium der Niederlande gewertet wird, sondern auch schon dem früheren NATO-Genralsekretär Joseph Luns und dem Brauerei-Besitzer Fred Heineken als Karrierebeschleuniger gedient hatte.

De Hoop Scheffer, der Ende der Siebziger mit der halbwegs liberalen Partei D ´66 kokettierte, ist nicht nur Jesuitenzögling, sondern auch Reserveoffizier bei der "Koninklijke Luchtmacht" - einem Refugium konservativer Überflieger - ehemaliger Berufsdiplomat, und Mitglied der CDA, der holländischen Variante der CDU. Der trat er in den Achtzigern bei, als er sich vehement für die Stationierung von atomar bestückten Cruise Missiles in Holland einsetzte. Und während der ehemalige holländische Aussenminister in deutschen Medien noch scheinheilig vom "Wiederaufbau eines Staatswesen" in Afghanistan redet, sagt er der holländischen Nachrichtenagentur "Nieuws.nl" unverblümt worum es geht: "NATO moet olieleidingen bewaken", Öl-Pipelines soll die NATO sichern, auch die NATO-Marine-Einheiten seien wesentlich eingesetzt, um die Seerouten der Öltanker zu beschützten.

Für den aktiven Messdiener und engen Freund von George Bush, de Hoop Scheffer, ist die NATO ein prima Ersatz für den lieben Gott: "Es wäre schön, wenn Gott jedes Mal eingreifen könnte, wenn ein blutiger Konflikt droht". Das hat den Mann nicht gehindert, im Irak-Krieg für die USA Partei zu ergreifen. Ein Krieg, in dem der Gottes-Aspekt fraglos eine Rolle spielte und noch spielt und in dem immer noch nicht geklärt ist, welcher Gott für welche Seite bereit ist, Partei zu ergreifen. Kurz vor der Beratung der Nato-Verteidigungsminister in Vilnius ist de Hoop Scheffers Drängelei eher als Entlastungsangriff für die arme Bundesregierung zu verstehen: Je lauter die Kanzlerin und der Verteidigungsminister "Nein" zu den Forderungen nach mehr deutschen Soldaten sagen, desto eher, so hofft man, wird der geplante Einsatz der 250 Mann starken Bundeswehr-Eingreiftruppe in Afghanistan unbemerkt bleiben. Wahrscheinlich wird Jaap dieses Manövers wegen von seinem Beichtvater nicht unter zehn Vaterunser und drei Rosenkränze aufgebrummt bekommen. Was es an Leben kosten wird, ist nicht abzusehen.