Es ist in den Tagen des G-8-Gipfel-Sturms schwer, aus der Menge der sich anbietenden Schmöcke den verlogensten, überheblichsten und dämlichsten herauszufinden. Die einen machen sich Gedanken über ein Uniformverbot: Schwarz gekleidete Menschen sollen, so sie an Demonstrationen teilnehmen, gleich verhaftet werden. Witwen, Architekten oder Zimmerleute müssen sich also künftig vor Demonstrationen hüten. Andere philosophieren über Gummigeschosse: Wenn Polizisten schon niemanden aus diesem Schwarzen Block erschießen dürfen, der Ton des Bedauerns ist aus den Schlagzeilen herauszuhören, dann sollen sie doch wenigstens mit diesen Hartgummi-Geschossen ausgerüstet werden, mit denen die israelische Armee schon seit Jahrzehnten die Palästinenser friedlich hält.
Aber Helmut Schmidt, von den Hamburgern auch liebevoll Sabbel-Kanzler genannt, übertrifft den gewöhnlichen Schmock bei weitem: »Kein 18-Jähriger sollte sich einbilden zu wissen, wie die Welt organisiert sein muss.«, lässt er, im Zusammenhang mit den Demonstrationen rund um den G-8-Gipfel, die Öffentlichkeit wissen. Wenn er, der Meister der Gerontokratie, diese These über die Bildzeitung veröffentlicht, das Zentralorgan öffentlicher Bildung, den intellektuellen Hebel des Wissens, das Blatt mit dem die Welt organisiert wird, dann wird er sich was dabei gedacht haben. Nur, was?
Nicht nur was Helmut Schmidt so denkt, auch wann er was denkt, ist selten sachdienlich: Immer erst nachdem er breits den Mund aufgemacht hat. Wie sonst sollten seltene Blüten wie »Ich bin Kanzler der Deutschen. Nicht Kanzler der Schwulen« oder »Mir kommt kein Türke mehr über die Grenze« dem Mund des Alt-Kanzlers entsprungen sein? Möglicherweise auf der Flucht vor einem Ego, das bei ihm den Hohlraum ausfüllt, der bei anderen Menschen mit dem Gehirn besetzt ist. Auch seine Behauptung, die Deutschen hätten weltweit die meisten Feiertage, ist natürlich nicht Ergebnis von Recherchieren und Nachdenken, sondern stammt aus der Broschüre »Dreiste Lügen für Neo-Liberale«. Dass man Schmidt in seiner Kanzler-Zeit weniger liebevoll Schmidt-Schnauze genannt hat, hatte mit seiner latenten Großfressigkeit natürlich nichts tun.
Schmidt war nicht nur der Kanzler der Nachrüstung, der er sich heute noch rühmt. In seiner Amtszeit durfte die West-Republik auch erstmals zwei Millionen Arbeitslose registrieren. Diese Zahl ohne deutsche Einheit herzustellen, war sicher nicht ganz einfach. Wer solche Leistungen aufzuweisen hat, der weiß natürlich wo es lang geht: »Nur in Ausnahmefällen ist jemand unter 40 Jahren in der Lage, ein vernünftiges Urteil über die Weltwirtschaft abzugeben.«, fällt ihm zu den Globalisierungsgegnern ein. Man darf sicher sein, dass Schmidt die Grenze der Urteilsfähigkeit gerne über 80 Jahre sehen würde, dann könnte er noch mal Kanzler werden oder besser noch Weltregierungschef, das würde alles ändern, nur nicht das Klima.
Denn die Debatte über das Klima, so Schmidt, »ist hysterisch überhitzt«. Schließlich »wollen alle Brot backen, Essen kochen, Auto fahren und heizen, wenn es Winter ist«, erklärt der Wirtschaftswissenschaftler Schmidt und weist hier eine ähnliche Kompetenz nach, wie als Klimaforscher. Tatsächlich ist Schmidt reif für die Heiligendamm-Anstalt. Wenn man ihn zu den anderen dort versammelten Kompetenzlern sperren würde, dürfte er, hinter einem gut gesicherten Zaun, seine Weisheiten an den Staatschefs auslassen. Dass wäre für die eine angemessene Strafe und Schmidt könnte nur wenig Schaden anrichten. Wenn das Heiligendamm-Wachpersonal dann noch den Zaunschlüssel wegwerfen würde, wäre wir alle von einer schweren Last befreit und der Schwarze Block könnte sich einen wohlverdienten Urlaub gönnen.