Franz Josef Wagner arbeitet beim Medienkonzern Springer. Wagner schreibt für die Bild-Zeitung. Wagner ist ein Muster an Mannesmut und kühnem Journalismus. Zum Beispiel jüngst: Einer Kassiererin wird wegen des Verdachts Pfandbons im Wert von 1,30 Euro unterschlagen zu haben gekündigt. Ein Gericht findet das rechtens. Wagner auch. Denn: "Worum es geht, ist die Besitzbewahrung". In Besitzbewahrung kennt Wagner sich aus: Als er einmal das Berliner Intelligenzblatt "BZ" als Chefredakteur übernahm, hat das den Besitzer, die Springer AG, 30.000 weniger verkaufte Zeitungen gekostet. Das war sogar Springer zu viel. Wagner musste zu einem anderen Intelligenz-Blatt wechseln. Da sitzt er nun, hinter einer Hecke, und schützt das Eigentum anderer.

"Wir werden gerade um Milliarden beschissen - was hat die Kassiererin bei Kaiser´ s damit zu tun?", fragt Wagner und richtet seinen gerechten Zorn gegen die Milliardäre dieser Welt auf die Kassiererin: "Die Bons gehörten der Kassiererin nicht. Egal, wie die Bons in ihre Finger gerieten, sie waren nicht ihr Eigentum". Da bäumt er sich auf, der Recke der Besitzbewahrung, da werden sie demnächst zittern müssen, die Herrschaften in den Banken, mit dem Bildzeitungs-Finger wird er auf sie zeigen und donnernd zurufen: Hosen runter! Vorerst übt er schon mal. Bei der Kassiererin, die Hartz IV bezieht: "Sehen wir uns die Prozesse der größten Milliarden-Wirtschaftsverbrecher an. Was ich denke, ist: Man darf nicht im Kleinen und im Großen bescheißen." Warte nur, bald zitterst auch Du Ackermann, wenn Wagner das Banken-Tribunal einfordert.

Wagner, der seine Karriere als Domspatz im gleichnamigen Regensburger Chor begann, verpfeift heute auch die Großen, wenn sie tot sind: "Darwin sagt, dass nur die Fähigsten die Auslese überleben. Gott sagt, dass alle überleben." Weil Wagner häufiger ein Wörtchen mit Gott redet, kann er auch dem Darwin gut zu reden: "Das war Ihre Theorie, aber ich glaube Ihnen nicht. Mozart war kein Schimpanse, der Mensch, der das Rad erfunden hat, war kein Rhinozeros, das Eichhörnchen hat auch nicht die Zahnpasta erfunden." Und wenn die amerikanischen Kreationisten bisher keinen seriösen deutschen Partner im Kampf gegen die Evolutions-Lehre hatten, Wagner ist ihnen eine feste Burg: "Ich hoffe mehr auf Gott."

Dass Schow-Talente wie Franz Beckenbauer und Udo Jürgens nicht auf Wagners Hilfe als Ghostwriter verzichten wollten, beweist, dass er der Titan unter den Schreibern ist. Auch wenn die von ihm redigierte Boulevard-Zeitung für den Osten "Super!" schon nach einem Jahr wieder dicht machen musste, ging die Wagner-Schlagzeile "Angeber-Wessi mit Bierflasche erschlagen – Ganz Bernau ist froh, daß er tot ist“ doch in die Annalen der Zeitungsgeschichte ein. Wagners Anstrengungen für das Gemeinwohl werden manchmal missverstanden. Als er ein Bild der Schwimmerin Franziska van Almsik mit ""Franziska van Speck - als Molch holt man kein Gold" titelte, wollte er sie keineswegs beleidigen. Anspornen wollte er sie, olympisches Gold für Deutschland sollte sie holen.

Auch über den Osten weiß Wagner gut Bescheid. So bescheinigte er dem Sänger Wolf Biermann: "Mit Ihrer Schleuder, der Gitarre, haben Sie die DDR gestürzt". Biermann, der Held, ganz alleine, mehr als ein Jahrzehnt nach seiner Ausbürgerung! Ob der Sänger wohl wußte, wie bedroht er wirklich war? Wagner wußte es genau: "Biermann stand auf der Todesliste der Stasi. Biermann war zum Abschuss freigegeben. Biermann mit seiner Gitarre sang gegen den Tod." Von Biermann ist kein Dementi bekannt. Von der Staatssicherheit auch nicht. Dann wird es wohl stimmen, das mit der Todesliste. Was hat er auch mit der Gitarre immer so rumgeschleudert, soll Mielke, der Chef der DDR-Staatssicherheit, bei passender Gelegenheit über Biermann gesagt haben.

Kein Thema ist Wagner zu heiß, nichts ist im aktuell genug. Jetzt zum Beispiel: Die Autokrise. Franz Josef Wagner kennt einen Opel persönlich und schreibt ihn an: "Lieber Opel, wenn die Kanzlerin heute über Dein Schicksal entscheidet, dann sollte sie wissen, welch bedeutende Rolle Du als Auto im Leben eines durchschnittlichen Deutschen gespielt hast." So redet er den Opel an, denn sein Vater hatte schon einen und sein Enkel soll auch wieder einen fahren, damit es dessen Sohn so geht wie Wagner damals: "Ich habe die meiste Zeit meiner Kindheit in einem Opel verbracht". Vielleicht erklärt diese schwere Kindheit manchen Überschwang des ansonsten brillanten Journalisten: "Unser Opel war ein Gegenstand, der mit uns lebte."

Franz Josef Wagner hat ein Gesicht, in das ein ganzes, langes Journalistenleben seine Runen eingekerbt hat. Verleumder sagen, es seien Missbrauchsspuren: Alkohol, Kokain und die Beize der Selbstbeweihräucherung seien ihm ins Gesicht geschrieben. Das ist ähnlich infam, wie die Behauptung, er sei die größte Hure des Journalismus. Das kann schon deshalb nicht sein, weil Friede Springer, Inhaberin der Springer AG, dann ja seine Zuhälterin wäre. Das ist falsch. Richtig ist: Wagner schreibt und Friede Springer lebt davon.