Feiner Zwirn, feiner Akzent und eine superfeine Familie: Der britische Premier, Sohn eines Börsenmaklers, führt seine Abstammung auf König William IV. zurück. Zwar wurde Camerons Vorfahr außerhalb des Ehebettes gezeugt, aber Rasse ist eben Rasse in der englischen Oberschicht. King William galt als Rüpel: Nicht selten betrunken, verwüstete er damals so manches Bordell. Als der junge Cameron noch in Oxford studierte, gehörte er dem Bullingdon Club an, einem Verein von Oberschichten-Zöglingen, dessen Mitgliedschaft ein paar Tausend Pfund kostete und der primär für Dauersuff und Fensterscheiben-Einwerfen bekannt war. Rasse lässt sich eben nicht verleugnen.

Nun also Sippenhaft: Das klassische Nazi-Mittel zur Bekämpfung Andersdenkender, will Cameron im "Krieg gegen die Gangs" als Mittel einsetzen. Die Eltern von Randalierern sollen keine Sozialhilfe mehr bekommen. Auch Camerons Vokabular entspricht dem Nazi-Jargon. Vom "Ausrotten" spricht der Premier und über Krankheit wenn er über die Randale in England redet. Die britische Justiz folgt ihrem Führer mit bedingungsloser Härte: Da bekommt ein 23-Jähriger sechs Monate Haft, weil er Mineralwasser im Wert von 3,50 Pfund geklaut hat, zwei Jugendliche, die über Facebook zur Randale aufgerufen hatten, wurden zu je vier Jahren Haft verurteilt, fünf Monate bekam eine zweifache Mutter, weil sie ein Paar gestohlene Shorts entgegennahm.

Wenn sich die englischen Eliten über Gesetzlosigkeit und Diebstahl beschweren, sollten sie schnell in den Spiegel sehen: Es waren Abgeordnete des britischen Unterhauses, die sich noch jüngst ihre Zweitwohnungen auf Staatskosten haben renovieren lassen, die eine Reinigung ihres Schwimmbades dem Steuerzahler aufbürdeten und die selbst lächerliche Beträge für Glühbirnen oder Tampons auf ihre Spesenrechnungen setzten. Und während für Jugendliche Schnellgerichte tätig werden - allein 1.300 Verfahren in den letzten Tagen - ist im Abhörskandal des Medienmilliardärs Murdoch nicht einmal ein Strafverfahren eingeleitet. Dass die Regierung Cameron in diesen Skandal verwickelt ist, zeigt deutlich worum es geht: Wer das eigene Land für einen Supermarkt hält, aus dem man sich scham- und straflos bedienen darf, der muss die kleinkriminellen Jugendlichen als Konkurrenz begreifen, die man gnadenlos ausschalten muss.

In kaum einem Land Europas sind die Trennlinien zwischen Arm und Reich so schroff wie in England. Natürlich war David Cameron in Eton, jener extrem teuren Privatschule, bei der die Väter ihre Söhne schon vorgeburtlich anmelden. Und natürlich spricht er nicht Englisch, sondern jenes näselnde Idiom, das sich "Received Pronunciation" nennt und der dünnen Oberschicht vorbehalten ist, die wie ein großes Fettauge auf der dünnen Mehrheitssuppe schwimmt. Als Cameron am Rande einer Konferenz gefragt wurde, ob er Drogen genommen habe, antwortete er, er habe „normale“ Erfahrungen auf der Universität gemacht und bestand darauf, dass jeder das Recht habe, in seiner Jugend Fehler zu machen. Fehler jener Jugendlichen, die ihrem Sozial-Frust Luft gemacht haben, will der ehemalige Direktor einer Kneipen-Kette allerdings mit dem Einsatz von Militär bekämpfen.

Die Jugendarbeitslosigkeit liegt in England offiziell bei 20 Prozent. Die meisten Armen gehören einer der vielen ethnischen Minderheiten an. Sie stellen den größten Teil der britischen Unterschicht. In London zählen rund 70 Prozent der Einwohner zur "Einkommensarmut". In den Armutsbezirken der Städte lebt rund ein Drittel der Bevölkerung von Sozialtransfers, die nun von der Regierung Cameron gekürzt werden. Der Mann, der in diesen Tagen einen "umfassenden Krieg" gegen Teile der englischen Jugend erklärt, hatte in seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz des letzten Jahres, behauptet, dass der "staatliche Multikulturalismus" letztlich zum Terrorismus führe. Dass Cameron Befürworter des Irak-Kriegs war, versteht sich. Sein Kampf um London, sagt er, gilt der "kriminellen Krankheit". Dass es sich beim galoppierenden Kapitalismus um eines krankes System handelt, kommt ihm nicht in den Sinn. Schließlich stoßen sich solche wie er daran gesund.