"Der Blick," sagt Claudia Roth, die Bundesvorsitzende der GRÜNEN, zu den diesjährigen Ostermärschen, "verengt sich zu oft allein auf die pauschale Ablehnung des Militärischen." Tatsächlich ist das Militärische ein optisches Problem: Viele Uniformen sind grün, da ist das Militärische im Gelände kaum zu erkennen. Auch sind heutige Militäreinsätze ziemlich pauschal: In Afghanistan, zum Beispiel, ist alles inklusive, Hin- und Rückreise, Übernachtung in den Bergen, Überflug über eine intakte Umwelt, jede Menge Folklore, und wenn mal was schief geht, gibt es ja diese praktischen Zinksärge. Warum, so fragt sich Frau Roth, warum soll man ein so spannendes, in gewisser Hinsicht grünes Programm ablehnen? Und wirklich ist diese Ablehnung ziemlich allein: Die grüne Parteispitze jedenfalls macht Ostern nicht mit, und auch nicht die große Koalition. Und den Kollegen Westerwelle wird Claudia unter den Ostermarschierern auch nicht treffen.
Frau Roth ist lieber dort, wo sie all die anderen trifft. Zum Beispiel in Bayreuth, wo sie in diesem Jahr ihren Escada-Fummel strapazierte, dessen Farben ein einziger Angriff auf Geschmacks- und Seh-Nerven waren. Auch wenn sie dort keine "italienischen Brecht-Inszenierungen" sehen konnte, die sie, glaubt man ihrer Website, so sehr schätzt, durfte sie doch jedem erzählen, sie habe Ahnung von Musik. Immerhin war sie mal die Managerin der Anarcho-Band "Ton, Steine, Scherben". Die Erben der Band erinnern sich nur ungern an die Dame Roth: "Das nervt, wie die sich diesen Mantel umhängt. Ja, sie war die letzte Managerin, die letzte. Wir waren am Ende". Und sieht man vom ebenso liebenswürdigen wir fadenscheinigen grünen Friedensfeigenblatt Hans-Christian Ströbele ab, ist wohl auch das Thema Friedenspolitik für die GRÜNEN so ziemlich am Ende. Weil Frau Roth in den Ostermarschtexten Bezüge zu den Vereinten Nationen vermisst, glaubt sie sagen zu dürfen "Das ist friedenspolitisch ein Armutszeugnis." Wie gut, dass Zeugnisse der Roth Muster ohne Wert sind.
Und weil die grüne Frontfrau, wie andere prominente Grüne auch, nicht mehr als Redner zu den Ostermarschkundgebungen eingeladen wird, unterstellt sie den Aktionen eine "Schwarz-Weiß-Sicht", die sie natürlich für "falsch und kontraproduktiv" hält. Man muss schon zugeben, dass es den Ostermarschierern an Differenzierung mangelt: Die glauben einfach nicht, dass die deutsche Hilfe für den Chef von Kabulistan, Hamid Karsai, irgendetwas mit Friedenspolitik zu tun hat, die halten doch glatt die untertänige bundesdeutsche Unterstützung der USA-Aussenpolitik und die De-facto-Billigung des korrupten Drogenregimes in Afghanistan für schwarz, und den schnellstmöglichen Rückzug aus einem lange Jahre dauernden Militäreinsatz mit immer mehr Toten für weiß. Diese Farb-Verengung kann ja bei Demonstranten, unter denen nur ganz wenige bei Escada kaufen, nicht ausbleiben.
Ein guter Krieg braucht ein gutes Design. Das darf nicht nur für die Uniformen gelten. Das gilt insbesondere für die Sprache: Es fängt mit der einfachen Wandlung vom Kriegs- zum Friedens-Einsatz an. Und jeder Sprachdesigner weiss, man muss von der "Stabilisierung der Sicherheitssituation" reden, wenn man, wie die Bundeswehr, in Usbekistan an der Grenze zu Afghanistan einen Flughafen betreibt, über den die USA ihre Krieg führenden Truppen lenken und munitionieren. Weil diese, die grünen Wähler stabilisierenden Wortschöpfungen bei den Ostermärschen einfach nicht auftauchen, ist Claudia Roth enttäuscht und verlangt "mehr neues Denken".
Die Roth hätte auch mehr neue Soldaten verlangen können. Denn diesem Verlangen stimmen die GRÜNEN seit Jahren mit hässlicher Regelmässigkeit zu. Aber eine solch offene Forderung, die den Bankrott der grünen Friedenspolitik ehrlich ausgesprochen hätte, wäre ja einer Desillusionierung grüner Wähler gleichgekommen. Und wer nicht mehr gewählt wird, der wird auch nicht mehr nach Bayreuth eingeladen, der hat kein Bundestagsmandat mehr und keine Fotos mehr in der "Bunten". Dem werden auch die sentimentalen, unehrlichen aber öffentlichen Auftritte arg fehlen. Da lügt die Roth doch lieber so vor sich hin und beschränkt ihr verschmocktes Denken auf die Diffamierung der Friedensbewegung.