Die Wahrheit ist so einfach für die TAGESSCHAU: Nach einem Kriegsverbrechen in Syrien erklärt die Bundeswehr, sie wäre es nicht gewesen. Und weil man in der Redaktion – spätestens seit die deutsche Armee harmlose afghanische Sprit-Diebe zu gefährlichen Taliban erklärt hat – glauben möchte, dass die Bundeswehr nie lügt, glaubt die TAGESSCHAU auch diese Erklärungen der Bundeswehr. Und wenn der pure Glauben nicht hilft, dann gibt es ja noch die reine Geheimhaltung. – Dr. Gniffke kommt aus der katholischen Eifel. Dort war der Bibel-Vers 1.Korinther 13:13 geläufig: „Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe.“ Und so wird der Spruch für die ARD übersetzt: Wir glauben den Erklärungen der Bundeswehr, wir hoffen, dass die wirkliche Wahrheit nicht rauskommt, wir lieben die Bundesregierung, die nur die Luft schlagen lässt, wenn sie Daten für Luftschläge liefert. Amen.

Programmbeschwerde:
Manipulieren und marginalisieren
ARD-aktuell über ein Kriegsverbrechen
unter wahrscheinlicher Mitwirkung der Bundeswehr
http://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/tt-5131.html

Sehr geehrte NDR Rundfunkräte,

In der Nacht vom 21.3. auf den 22.3. haben Kampfflugzeuge der „westlichen Koalition gegen den IS“ nahe der syrischen Stadt Rakka ein Schulgebäude bombardiert und dabei mindestens 33 Zivilisten umgebracht. An dem Kriegsverbrechen war die deutsche Bundeswehr zumindest mittelbar beteiligt. ARD-aktuell hat über das Bombardement zunächst jedoch überhaupt nicht berichtet. Unsere Programmbeschwerde dagegen blieb ohne Antwort. Eine versteckte Reaktion im Programm erfolgte erst eine Woche später, am 29. März, aufgrund der nicht mehr ignorablen Informationen über die Rolle der Bundeswehr. Mit aktueller und vor allem umfassender sachlicher Berichterstattung, wie im Staatsvertrag vorgegeben, hat diese redaktionelle Minusleistung nichts mehr gemein.

Die ohnehin zeitlich verspätete Meldung holte ARD-aktuell trotz ihrer Brisanz und ihres politischen Gewichts in denkbar unauffälliger Weise und lapidar nach: nicht in der Hauptausgabe der Tagesschau, (da hätten es an diesem Tag 4,9 Mio Zuschauer mitbekommen) sondern unter den Kurzmeldungen gegen Ende der Tagesthemen (nur mehr 2,2 Mio Zuschauer), versteckt zwischen einer Nachricht über den Kabinettsbeschluss für ein Korruptionsregister und der Mitteilung über die geplatzte Börsenfusion London-Frankfurt. Wortlaut dieses 30-Sekunden dauernden, niederträchtig auf marginal getrimmten Beitrags über ein schweres Kriegsverbrechen:

22’52“ - 23’22

„Die Bundeswehr soll nach Informationen von NDR und WDR an einem Luftschlag in Syrien beteiligt gewesen sein. Sie lieferte offenbar Aufklärungsfotos. Bei dem Angriff der US-geführten Koalition auf ein Schulgebäude waren nach Angaben von Aktivisten vergangene Woche mehr als 30 Zivilisten getötet worden. Das Verteidigungsministerium erklärte gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio, die Bundeswehr sei nicht in die Angriffsplanung involviert gewesen.“ Quelle: s. Betreffzeile

In einem ausführlicheren Beitrag fürs Internet, auf tagesschau.de (keine 0,5Mio Leser) hatte es noch geheißen:

Das Verteidigungsministerium wollte sich zum konkreten Fall nicht äußern und verwies auf Geheimhaltungsgründe. Quelle: http://www.tagesschau.de/ausland/luftangriffe-syrien-aufklaerungsbilder-bundeswehr-101.html

Das Redaktionsverständnis von der angemessenen journalistischen Bewertung der Nachricht über eine wahrscheinliche Mitschuld der Bundeswehr an einem Kriegsverbrechen ist nicht mehr nachvollziehbar. Es ist das Ergebnis regierungshöriger Einseitigkeit, transatlantischer Schlagseite, Fixiertheit auf transatlantisch genormtes Agenturmaterial und ignoranter Verweigerung alternativer Quellennutzung. Schon die verbale Schönfärberei mittels Wortschöpfungen aus der Propaganda-Giftküche wie „Luftschlag“ – für ein Massaker! – ist eine Verhöhnung aller Menschen, die sich über solche Vorfälle noch entsetzen können. Sie hat sich eingebürgert, dank häufiger Verwendung vor allem in den ARD-Nachrichten für ein Millionenpublikum. Auch Telepolis verwendet ihn, setzt aber wenigstens „verheerend“ davor und informiert präziser, ausführlich über die Ereignisse:

„Mehr Verantwortung übernehmen: Bundeswehr an verheerendem Luftschlag beteiligt

[...]. Demnach sollen deutsche Tornados am 19. März 2017 "Aufklärungsbilder" eines Gebäudekomplexes geliefert haben, der in der Nacht vom 21. auf den 22. März bombardiert wurde. [...] eine Zusammenkunft zwischen Vertretern des Bundesverteidigungsministeriums und Bundestagsabgeordneten, die sich heute in geheim tagender Sitzung im Verteidigungsausschuss des Bundestages getroffen haben. [...]“ Quelle:

https://www.heise.de/tp/features/Mehr-Verantwortung-uebernehmen-Bundeswehr-an-verheerendem-Luftschlag-beteiligt-3670436.html

Darüber, dass ARD-aktuell die Nachricht zunächst unterschlug, liegt Ihnen bereits unsere Beschwerde "... und über Syrien auch nichts mehr“ vom 24. März 2017 vor. Darin stellten wir fest:

„[...] Wenn die Schuld der USA überhaupt nicht zu leugnen ist und, wie am 21. März, zum Beispiel in dem Dorf al-Mansour nahe der IS-Hochburg Rakka in Nordsyrien eine Schule getroffen wird [...], dann kommt das gleich gar nicht in der Tagesschau vor. [...] Die Meister der manipulativen Nachrichtenauswahl in Hamburg-Lokstedt berichten nicht über US-Kriegsverbrechen, wenn die nicht eh schon an der Großen Glocke hängen.

Zu ergänzen ist: Über eine wahrscheinliche deutsche Mitwirkung an Kriegsverbrechen im Rahmen dieser „Koalition“ berichtet ARD-aktuell erst nur dann, wenn die Geschichte in Berlin an der Großen Glocke hängt. Aber dann auch nur ordentlich abgepackt in ein MItschuld leugnendes Dementi der mutmaßlichen Täter: „[...]die Bundeswehr sei nicht in die Angriffsplanung involviert gewesen.“

Nein nein, die Bundeswehr hat nur wesentliches Material für die Angriffsplanung geliefert. Und ARD-aktuell hilft lieber dem „Verteidigungs“ministerium beim Händewaschen in Unschuld, als saubere journalistische Arbeit zu leisten. Dass die Luftbilder der Tornados nicht für die Aktion „Unser Dorf soll schöner werden“ gebraucht wurden, war allen Beteiligten am Geheimtreffen im Bundestag und den Qualitätsjournalisten im ARD-Hauptststudio klar. Vereint sind hier Komplizen und Mitwisser eines Vorgangs, der als Kriegsverbrechen zu betrachten ist.

Volker Bräutigam, Friedhelm Klinkhammer