Da sterben jeden Tag Menschen im Nahen Osten, da wird der kaum gefestigte Staat Libanon in erneutes Chaos gestürzt, da setzt der Staat Israel seine Existenz aufs Spiel und Avi Primor, ehemaliger israelischer Botschafter in Deutschland, schlaumeiert: In der »Süddeutschen Zeitung« lässt er sich, anlässlich der aktuellen Tragödie, darüber aus, dass sich die »Interessen Israels und Iran nicht unbedingt widersprechen«.
Mal abgesehen davon, dass die aktuelle Krise, der neueste Krieg sehr wohl auch etwas mit Syrien, mit den Palästinenser und, immer schön supermächtig, mit den USA zu tun hat, ist Primors Rückgriff auf die schönen Zeiten, als Israel mit dem Mörder-Regime des iranischen Schahs gut Freund war, ebenso peinlich wie heuchlerisch. In dieser guten alten Zeit, so Primor, waren Ben Gurion, der israelische Premier, und der Schah, der iranische Diktator »durch gemeinsame Interessen verbunden«.
Stolz erzählt uns Avi, der Schmock, dass die Geheimdienste beider Staaten eng zusammenarbeiteten und dass »die wachsende Dimension der israelischen Waffenlieferungen« schließlich in den »Aufbau einer Rüstungsindustrie im Iran« mündeten. Er hätte auch mit ähnlicher Instinktlosigkeit noch von der israelischen Handels- und Waffenbrüderschaft mit dem damaligen südafrikanischen Apartheid-Regime (da gab es Uran zu kaufen) berichten können, die den Israelis regelmäßig die berechtigte Frage nach ihrer Haltung zum Rassismus eintrug.
Aber es geht ja um heute, um die Hisbollah, um den Iran. Und weil es damals so schön war mit dem Schah, glaubt Primor, wenn sich im Iran das »Staatsinteresse« gegen den »religiösen Fanatismus« durchsetzen würde, dann würde es wieder wie früher. Warum Israel, der enge Partner der USA, die alles versucht haben, um den Schah zu halten, bis hin zum Putsch, warum dieses Israel ein Partner des heutigen Irans werden sollte, bleibt unklar. Vielleicht hofft der Ex-Diplomat, der sich offenkundig für einen großen Taktiker hält, dass heute noch die Karten »Sunniten gegen Schiiten« auszuspielen wären.
Während, dank des Irak-Krieges, der mehr als unqualifizierten Politik der Bush-Administration und der mehr als unangemessenen Reaktionen Israels, die Sunniten und die Schiiten, frühere Todfeinde, einander näher kommen, schwafelt Primor von »Imperialen Ambitionen« des Iran und glaubt, dass dieser Staat demnächst »wie Russland schon heute die Welt mit seinen eigenen Energiereserven« erpressen wird.
In der Logik des Herrn Primor erpressen die USA mit ihren Militärreserven natürlich niemanden. Deren Zündeln im Iran-Irak-Krieg, als man Saddam Hussein noch als Freund betrachtete, deren durch nichts zu rechtfertigenden Krieg im Irak und der als Kampf gegen den Terror maskierte Griff nach den internationalen Ölreserven gelten dem Ex-Botschafter sicher als humanitäre Aktionen.
Es ist die fünfte Generation von Israelis und Arabern, die sich, mal mehr, mal weniger, im Krieg befinden. Einmal, zur Zeit des ermordeten israelischen Ministerpräsidenten Jitzchak Rabin, schien es so, als nähmen die Kontrahenten Vernunft an. Doch der Krieg, der nichts löst, niemanden sicherer macht, hält an. Auch dank solcher Leuchten wie Avi Primor, der in der Geschichte nicht lesen kann, der in seiner blinden USA-Gefolgschaft sein eigenes Volk dem ewigen Hass der Nachbarn ausliefert und dem die eitle Pose scheinbarer, fachlicher Kennerschaft offenkundig wichtiger ist, als die ernste Suche nach Lösungen.