Freiheit, die ich meine,
Die mein Herz erfüllt,
Komm mit deinem Scheine,
Süßes Engelsbild!
Max von Schenkendorf, 1783-1817
Es soll sogar im Grundgesetz stehen: Deutschland ist ein freies Land. Hier kann jeder sagen was er will. Aber was soll er schon sagen? Es nützt nichts, das wissen die Deutschen, noch bevor sie ihre Meinung gesagt haben. Immer wieder mal werden sie gefragt. Gerne, ob sie über vierzig sind und diesen oder jenen Kaffee trinken. Oder ob sie schon mal diese Zeitung gelesen haben oder die andere. Da sagen die Deutschen dann was. Sogar die Wahrheit und ihre eigene Meinung. Und dann? Wird der Kaffee besser? Nein. So ist es auch mit dem Afghanistan-Komplex.
Mit Afghanistan hat der Deutsche einen Komplex. Da will er nicht hin, genauer: Da will er nicht mal seine Soldaten sehen. Die Leute, die mit Kaffeeumfragen zu tun haben und auch mit dem Image von Politikern, die sagen: Da positioniert sich der Deutsche falsch. Die Philosophie, sagen die von der Kaffeeumfrage, die Philosophie (was die Fraktionsmeinung bedeutet) von unserem Bundestagsabgeordneten ist da ganz anders. Und auch die von den Zeitungen. So ist es mit der Freiheit: Jeder kann eine Meinung haben. Und sie sogar sagen. Gerade die Vielfalt der Meinungen ist ja der Ausdruck von Freiheit. Völlig konstant sagt der Deutsche seit Jahren mit Mehrheit: Afghanistan ist kein Reiseland. Aber die Berliner Reiseführerin sieht das anders: Die Freiheit nehm´ ich mir, sagt sie und reist auf die nächste internationale Konferenz zur Verteidigung der Reisefreiheit.
Sonst reist der Deutsche ja ganz gern. Zwar kürzer als früher und auch nicht mehr so häufig ins Ausland, schließlich ist die Reisefreiheit letztlich eine, die Geld kostet. Aber sonst: Nix wie weg. Das sehen die Afrikaner anders. Die wollen nix wie hin, nach Deutschland, Spanien, Italien und in all die anderen Länder, wohin sie die Zitronen liefern oder was der Afrikaner sonst so produziert. Aber die wollen auf die Billige nach Europa: Alte, lecke Boote, Flösse und ähnliches buchen die für ihre Reise. Das kann nicht gut gehen. Geiz ist zwar geil, aber wenn man zu billig bucht, fällt man meist rein. Im Zweifelsfall direkt ins Meer. Außerdem: Die sind doch schon braun, sagt sich der Europäer, warum wollen die denn unbedingt nach Lampedusa und zu anderen Sonnen-Inseln?
In der Kunstfreiheit, zum Beispiel, lässt sich der Europäer von niemandem übertreffen. Jüngst, in London, wechselte für ein paar Millionen ein eingelegtes Zebra seinen Besitzer. Der Künstler Damien Hirst ließ eine Reihe seiner Werk beim Aktionshaus Sotheby´s versteigern. Rund 140 Millionen brachte die zweitägige Versteigerung. Als kühne Freiheit vermerkten die Medien die Aktion, weil Hirst, an den Galerien vorbei, direkt an seine Kunden verkaufte. Zwar war der wesentliche Ersteigerer ein Hausgalerist des Künstlers, aber das ist eben unternehmerische Freiheit. Und wer die stattliche Zahl von Haien in Aspik gesehen hat, die bei Sotheby´s über den Tisch gegangen sind, der sieht auch den Zusammenhang zwischen Freiheit und Risiko. Tote Haie verkaufen: Gutes Geschäft. Lebenden Haien bei seiner Reise nach Europa im Wasser begegnen: Schlechtes Geschäft.
Zur Zeit wird die unternehmerische Freiheit stark eingeschränkt: Immer wieder werden Banken verstaatlicht. Auch und gerade in den USA, dem Land, das die Freiheit in den Refrain seiner Hymne eingebaut hat: "the land of the free - and the home of the brave", singen die Amerikaner, auch in unserem Namen. Und dann reicht die Tapferkeit nicht mal zu einer redlichen Pleite. Und wenn die offenkundig sozialistische Regierung der USA doch mal eine Bank ins unternehmerische Risiko gehen lassen will, dann meldet sich gleich eine deutsche Staatsbank, und versucht sie, wie die KfW in diesen Tagen, mit 350 Millionen Euro am deutschen Staatstropf zu halten. Die hat die amerikanische Lehmann-Bank, im Sinne der Freiheit, eingesteckt und trotzdem Pleite gemacht.
Das deutsche Grundgesetz, wie auch andere so genannte demokratische Verfassungen, sagen wenig über Sicherheit aus. Dabei weiß jedes Kind, dass es keine Freiheit ohne Sicherheit gibt. Wie sollte das nicht erst recht der Bundesinnenminister wissen. Ständig ist unsere Freiheit bedroht. Durch Terroristen. Durch schwimmende Schwarze. Durch sozialistische Tendenzen. Deshalb baut so ein Minister antiterroristische Schutzwälle aus Daten um uns herum: Auf Vorrat werden Verbindungsdaten von Telefon und Internet gespeichert, um die Informationsfreiheit zu verteidigen. Flugdaten werden gehortet, wahrscheinlich, um die Reisefreiheit zu sichern. Ab jetzt bekommt jeder auch eine eigene Nummer, damit er in all der Freiheit nicht verloren gehen kann. So wird die Freiheit weiter eingeschränkt, damit sie ja gesichert bleibt.
Das "süße Engelsbild" von dem der Dichter der antinapoleonischen Freiheitskriege, Max von Schenkendorf, schreibt, ahnte offenkundig den biometrischen Ausweis voraus, dessen Foto eine so schöne, digitale Zerlegbarkeit aufweisen wird. Und wenn der selbe Dichter schwärmt: "Wo sich Männer finden, die für Ehr' und Recht mutig sich verbinden, weilt ein frei Geschlecht.", dann sollten wir zeitgemäß eine der NATO-Konferenzen darunter verstehen, auf denen geplant wird, wo unsere Freiheit demnächst auch noch unbedingt verteidigt werden muss.