Prall vor stolz, wie ein Kind unter dem Weihnachtsbaum, so präsentierte Guido Westerwelle jüngst sein neues Spielzeug: "Ein Außenministerium! So bunt! Und ich so bedeutend! Weil ich die Wahl gewonnen habe! Jetzt gewinne ich auch die Wahl in Afghanistan!" Zumindest forderte der neue Außenminister einen ganzen Tag lang, dass die Präsidenten-Stichwahl in Afghanistan, obwohl der zweite Kandidat neben Hamid Karzai schon abgesagt hatte, "streng nach Recht und Gesetz zu Ende geführt wird". Dann erreichte ihn das Telefonat der amerikanischen Außenministerin: Hillary Clinton erklärte Westerwelle ebenso kurz wie bündig, dass sie den afghanischen Amtsinhaber unterstützt. Obwohl der keine zweite Wahl wolle. Was macht man mit heruntergelassenen Hosen? Man schweigt, um nur ja nicht auf sich aufmerksam zu machen. Erstmalig durfte der kleine Guido ganz alleine was sagen und sogar zu Afghanistan: Schon falsch. Guido braucht Nachhilfe in Außenpolitik. Erste Regel: Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland wird in Washington gemacht. Hundert mal abschreiben. Auswendig lernen. Dann aufsagen. Und: Vor Öffnen des Mundes telefonieren.

Man könnte, hätte man Mut, Stehvermögen und ein gewisses Maß an Intelligenz, auch und gerade im Falle Afghanistan, eine selbstständige Politik betreiben. Denn der lange, bewaffnete Aufenthalt in Afghanistan kostet mehr als Geld. Er kostet Reputation, internationale Handlungsfähigkeit und natürlich, für Westerwelle sicher nicht ganz so wichtig, Leben. Wäre die Bundesregierung und mit ihr der Außenminister von der FDP tatsächlich selbstständig, zöge sie die deutschen Truppen aus Afghanistan ab. Schon die mangelnde Fähigkeit, die afghanischen Wirren zu beurteilen, geböte das. Allein am zweiten Präsidentschaftskandidaten A. Abdullah sind die verschlungenen Wege afghanischer Machtpolitik wunderbar zu demonstrieren: Abdullah Abdullah war der letzte Sprecher der vorgeblich kommunistisch inspirierten Regierung von Mohammed Nadschibullah. Nur wenig später wurde er Außenminister der "Nordallianz", jener Formation, die als einzige afghanische Truppe den Taliban längere Zeit Widerstand leistete. Dass die "Nordallianz" kaum weniger Verbrechen begangen hatte als die Taliban wird ebenso gerne verschwiegen, wie die Rolle Abdullahs in der Regierung Nadschibullah.

Nicht, dass Hamid Karzai, Experte in Wahlfälschungen und Marionette der USA in Afghanistan, einen weniger komplizierten Lebenslauf hätte als der Kandidat der "Opposition". Der jetzige Präsident Afghanistans war, Mitte der 90er Jahre, im Auftrag der CIA, ein solider Unterstützer der Taliban. Jenes Gottseibeiuns, der als Gespenst des Terrors immer noch für die Begründung einer falschen Afghanistanpolitik nützlich ist. In den postsowjetischen Schreckenszeiten erschienen die Taliban den USA als stabilisierender Faktor: Es ging um den Bau der Erdgas-Pipeline zwischen Turkmenistan und Pakistan, außerdem hatten die Taliban eine anti-schiitische, anti-iranische Tendenz und der Feind meines Feindes, so einfach denken die USA bis heute, ist mein Freund. Dass sich das als Irrtum herausstellte ist wahrscheinlich sogar Herrn Westerwelle bekannt. Auch wird es im Auswärtigen Amt diesen oder jenen geben, der weiß, dass der Bruder des jetzigen Präsidenten Afghanistans der größte Drogenhändler des Landes ist. Ob man es Guido gesagt hat?

In Afghanistan leben Paschtunen, Tadschiken, Hazare, Usbeken und noch mindestens vier andere Nationalitäten. Das ist für einen wie Guido, der immer denkt, der Markt regele die vielen Unebenheiten des Lebens, sehr schwierig. Ausser dem Markt für Rohopium gibt es in Afghanistan kein bedeutendes Marktgeschehen und der verbindet die afghanischen Nationalitäten und Clans nicht, der hält sie in ständiger, bewaffneter Konkurrenz. Hätte Westerwelle einen Friedensplan für Afghanistan, müsste dort an erster Stelle die Verstaatlichung des Opium-Handels stehen. Verstaatlichen kann ein Liberaler nicht. Nach der Wahlfarce am Hindukusch, die nach Westerwellle "streng nach Recht und Gesetz zu Ende geführt" werden sollte obwohl es nur noch einen Kandidaten gab, hat der neue Außenminister die erste Wahl im Amt bereits verloren: Hamid Karsai, der korrupte, undemokratische und strengstem Islam zugeneigte Präsident in Kabul, bleibt die erste Wahl der USA. Hätte Guido sich doch ein Beispiel am neuen Verteidigungsminister genommen. Der hatte offenkundig rechtzeitig in Washington angerufen und durfte sich danach mit einer sensationelle Neuigkeit melden: In Afghanistan ist echt Krieg. Das wusste die amerikanische Öffentlichkeit immer schon. Jetzt dürfen es auch die Deutschen wissen. Vielleicht sollte man Guido ein Telefon unter den Baum legen. Ein Außenministerium hat er ja schon.