Kann sich noch jemand an die Pläne für Elite-Universitäten erinnern? Jenen verzweifelten Plan, der die Hochschulmisere stoppen sollte? Jene besondere Logik, die besagte, wir schaffen ein paar Leuchttürme, damit das restliche Elend besser zu besichtigen ist? Wer sich daran erinnert, bringt eine eindeutig besser Gedächtnisleistung als der durchschnittliche Bildungspolitiker, denn der versprach damals, mit den Eliteuniversitäten würde die Gesamtlage der deutschen Unis besser werden. Ein reizender Kinderglaube. Auf den Sport übertragen würde das eine gewisse Ignoranz gegenüber dem Breitensport zugunsten des Spitzensports bedeuten. Aber die Spitze einer Pyramide, sagt die Physik, braucht eine Fläche auf der sie stehen kann.
Der nächste Rettungsplan der Bildungspolitiker nahm in den Studiengebühren Gestalt an. Um 500 Euro soll der Studierende pro Semester zahlen, damit sollten die Studienbedingungen verbessert werden. Wer sich heute an den Unis umschaut, weiss auch, für wen sie verbessert wurden: Für die Kinder jener Leute, die locker einen Tausender auf die Jahres-Apanage ihrer Töchter und Söhne drauflegen können, die haben jetzt etwas mehr Platz an den Hochschulen. Weil ihre ärmeren Kommilitonen ihr Studium abbrechen und nicht wenige Kinder aus weniger begüterten Familien erst gar nicht mehr den universitären Versuch unternehmen: Studiengebühren schrecken ab, in den Ländern, in denen sie eingeführt wurden, gibt es im Vergleich deutlich weniger Studienanfänger.
Auch von den eingenommen Millionen zur Verbesserung der Bedingungen der Hochschulen weiß keiner wo sie hingegangen sind: Um das dreifache überfüllte Seminarräume, Bücher aus denen man eine gute Suppe kochen kann, weil Generationen mit ihren Fettfingern darin blätterten, Räumlichkeiten in denen der Kaiser als Junge sein Flottenprogramm in die Bank ritzte, Computer an denen man Schlange steht, so sehen die Studienbedingungen einer großen Nation aus. Wahrscheinlich ist es überall so wie an der Uni Köln: Von den 17 aus Gebühren eingenommenen Millionen wurde nur vier für Personal und Sachmittel eingesetzt. Die sind, angesichts des Nachholbedarfs, einfach nicht zu bemerken.
Es muss ein neuer Plan zur Sanierung unserer Universitäten her. Und da wir ein Exportland sind, liegt es doch nahe, dass wir unsere Studenten exportieren. Nach Polen zum Beispiel. In diesem extrem reichen Land kostet ein Studienplatz gar nichts, so ähnlich ist es auch in der Slowakei und ein paar anderen Ländern, die sich noch nicht lange genug vom Sozialismus gelöst haben und immer noch nicht wissen, dass man Eliten nur durch Verknappung herstellt. Denn so funktioniert der Markt: Wenn nur wenige studieren dürfen, dann gibt es viele, die zu günstigen Preisen die Drecksarbeit machen, erst das verschafft ein Elitebewusstsein. Oder im Marktdeutsch: Nur wenn viele Schweinehälften tragen, können einige wenige mit Schweinehälften spekulieren. Dass es sich hier um einen saugeilen Fortschritt handelt, leuchtet ein.
Leider bieten diese Ostländer keine Studiengänge in Deutsch an. Das ist ungerecht, immerhin hatten wir doch in vielen dieser Gegenden über Jahre ein florierendes Reiseunternehmen namens Wehrmacht, ein Art Jugendbewegung, die, mit eigenen Fahr- und Flugzeugen, den Nachbarvölkern das deutsche Wesen nahe brachte. Nur wenig später kamen dann auch junge Leute aus dem Ausland zu uns, manche lebten in Workcamps, andere durften unsere Fabriken besichtigen, schon früh war Deutschland ein Vorreiter des Technologie-Transfers, noch heute gibt es deutsche Uhren in Russland. Warum dieser wirtschaftlich effektive Jugendaustausch nicht fortgesetzt wurde, ist völlig unerfindlich.
Unsere Studenten werden also in den sauren Sprachapfel beissen müssen, jedenfalls solche, die keinen Platz an den Eliteuniversitäten bekommen. Denn ähnlich wie im wirklichen Leben, der Marktökonomie, sollte es eine gewisse Produktbereinigung auch auf dem universitären Sektor geben: Die Billigbildung muss outgesourcet werden, die Quality-Section bleibt im Land. Überschlägig werden wir achtzig Prozent der Unis schließen können, das dort eingesparte Geld kann dann endlich in die Exzellenz-Projekte gesteckt werden. Universitäten der Qualität von Harvard, Princton oder Yale sind auch für unsere Kinder nicht mehr fern. Allerdings müssen wir uns befleissigen, auch bei uns für eine solide Zusammensetzung zu sorgen: Der Vater jedes zweiten Harvard-Absolventen studierte auch schon dort, jeder Dritte kann sich auf einen Harvard-Großvater berufen.
Im Rahme unserer Exportoffensive dürfen dann in den Nachbarländern all jene studieren, die keine Akademiker als Eltern haben. An den Elite-Unis müssen mindestens beide Eltern Akademiker sein, in bestimmten Studien-Bereichen, zum Beispiel Tiermedizin, ein Fach in dem wir ein Bewerber-Plätze-Verhältnis von 5:1 haben, sollte zusätzlich ein akademischer Großvater nachgewiesen werden können. In solchen Ahnennachweisen waren wir immer schon führend.
Nun mag mancher einwenden, dass, wenn unsere Unterschichtenkinder in Polen studieren, die Polen für ihre eigenen Kinder nicht genug Studienplätze haben. Das mag ja sein, aber es gibt doch für die Polen auch Exportmöglichkeiten: Nach China zum Beispiel oder in die Mongolei, die Globalisierung kann viel für die Völkerfreundschaft tun. Zumindest wäre sie für einen flottierenden Jugendaustausch gut, ein Austausch, der für alle ein Mehr bedeuten könnte. Für die einen mehr Bildung, für die anderen mehr Tourismus. Die Welt, sagt der gleichnamige Währungsfond, ist ein Marktplatz. Auf dem stellt sich die Gerechtigkeit von selbst ein.