Nahezu lyrisch kommt das Auswärtige Amt daher, wenn es die deutsch-japanischen Beziehungen beschreibt: "Das bilaterale Verhältnis Deutschlands zu Japan ist traditionell freundschaftlich. In den vergangenen Jahrzehnten hat es sich zu einer engen außenpolitischen Zusammenarbeit verdichtet." Nun wird das Amt mit "traditionell" hoffentlich nicht den fünf Jahre währenden Pakt der deutschen und japanischen Nazis meinen, der erst mit dem Weltkrieg endete. Immerhin ist sich das Amt sicher, dass Japan und Deutschland "gemeinsame Werte" teilen und "Partner in globaler Verantwortung" sind. Es gibt Menschen, bei denen löst das Wort "Verantwortung", inzwischen Lieblingsvokabel deutscher Verantwortungsträger, schwere allergische Verwerfungen aus.

"Auch Japan will normal werden" schreibt die unverantwortliche FAZ jüngst und meint nicht die Tatsache, dass die japanische Regierung drei Jahre nach Fukushima die stillgelegten Atomkraftwerke wieder in Betrieb nehmen und neue bauen will. Die Rückkehr zur Normalität sieht das Zentralorgan der deutschen Wirtschaft in der Aushebelung der japanischen Verfassung. Denn Shinzo Abe, der aktuelle japanische Ministerpräsident, hat, am Parlament vorbei, die japanische Armee wieder angriffsfähig gemacht: Japan darf jetzt auch außer Landes militärisch aktiv werden. Diesen Verfassungsbruch kennt man aus Deutschland, auch deshalb mahnt die FAZ: "Nichts spricht dagegen, dass Tokio sich stärker engagiert". Aber wer Japan für normal hält, der ist es selbst nicht.

Seit Jahr und Tag besucht Shinzo Abe den Yasukuni-Schrein, wo die Seelen kaiserlicher Soldaten, einschließlich berüchtigter Kriegsverbrecher, verehrt werden. Es wäre etwa so, als würde die deutsche Kanzlerin jährlich einen Kranz am eingeebneten Grab des SS-Generals Reinhard Heydrich auf dem Berliner Invalidenfriedhof niederlegen. Bis heute hat sich Japan nicht für seine Kriegsverbrechen entschuldigt oder Entschädigungen gezahlt. Nicht für die Insassen seiner Konzentrationsläger während des Zweiten Weltkrieges, nicht für seine Menschenversuche in den Lägern, nicht für die etwa 200.000 Zwangsprostituierten, zumeist geraubte Koreanerinnen, die bis heute in Japan "Trostfrauen" heißen, weil sie doch die armen japanischen Soldaten während des Krieges trösten mussten. Ob über den Krieg allgemein oder über das Massaker im chinesischen Nanking, von dem das Rote Kreuz notierte: "Nach deren Aussagen (denen der Zeugen) schnitten die marodierenden japanischen Soldaten Frauen die Brüste ab, nagelten Kinder an Wände oder rösteten sie über offenem Feuer. Sie zwangen Väter ihre eigenen Töchter zu vergewaltigen und kastrierten chinesische Männer. Sie häuteten Gefangene bei lebendigem Leib und hingen Chinesen an ihren Zungen auf."

Spätestens seit der Teilnahme der japanischen Armee am Irak-Krieg sind die "Selbstverteidigungsstreitkräfte" wieder international gefordert. Erst recht Obamas "Pivot to Asia" sein Schwenk nach Asien, akzentuiert von der Konzentration amerikanischer Luft- und Seestreitkräfte im asiatischen Raum, verlangt von Japan den Schwenk in der Militärpolitik. Wahrscheinlich deshalb war der japanische Kriegsminister, Itsunori Onodera, jüngst auf Besichtigungs- und Einkaufstour auf dem US-Marinestützpunkt in San Diego, wo er die USS Makin Island besuchen durfte. Ein Kriegsschiff vom Typ Makin Island mit F–35B-Kampfjets wäre dem bislang einzigen chinesischen Flugzeugträger "Liaoning" wahrscheinlich überlegen. Und um China geht es natürlich: Rund um die Senkaku-Inseln zum Beispiel, im ersten Chinesisch-Japanischen Krieg von Japan okkupiert, gibt es jede Menge Öl und Gas. Da weiß die amerikanische Administration nur zu genau, wem die Inseln gehören: Den Japanern, versteht sich. So geht "globale Verantwortung".

"Ein wenig" so schreibt die FAZ, "erinnert die Debatte (in Japan) an die in Deutschland, wo vom Bundespräsidenten abwärts viele fordern Verantwortung in der Welt zu übernehmen." Der Schwenk der USA reisst Lücken in Europa. Gegenwärtig sind noch etwa 40.000 Mann US-Truppen in der EU stationiert, für 2015 ist eine Reduzierung auf 30.000 geplant. Nicht zuletzt deswegen musste die EU "mehr Verantwortung" in Osteuropa übernehmen. Auch aus diesem Grund fand sich Frank-Walter Steinmeier als menschliche Drohne auf dem Kiewer Maidan wieder, wohl darum findet eine Bundestagsmehrheit es völlig normal ein Assoziierungsabkommen mit einer ukrainischen Regierung zu schließen, die mit Nazi-Ministern gespickt und deren Militärapparat von Faschisten dominiert wird. So geht es, vom Bundespräsidenten aus, einfach abwärts.