Immer noch leben wir in einem relativ reichen Land. Gewiss, es gibt Armut. Aber sie ist, verglichen mit der Armut in Afrika, Asien oder weiten Teilen der USA, noch begrenzt. So schwer erträglich sie für die armen Deutschen und für die gerecht denkenden Deutschen auch sein mag. Doch ist die soziale Frage nicht die erste Frage an Verstand und Gewissen eines Wählers. Denn mit der immer größer werdenden Kluft zwischen Armen und Reichen, mit den immer schlechteren Aufstiegsmöglichkeiten, der mangelnden Durchlässigkeit von Unten nach Oben, geht der Armuts- und Todes-Export einher. Es ist die Waffengewalt der entwickelten Länder, die den weniger entwickelten ihre Rohstoffe raubt, sie in Armut und Unwissenheit hält. Und wir, ein Land mit Vergangenheit, wir sind dabei.
Die dünne Rettungsdecke hatte nicht gereicht, ihn vollständig zu bedecken. Die Hände lugten heraus, beide waren verbrannt, blutig und schwarz. Auch die Füße sahen unter der Decke hervor. Bekleidet mit unseren Kampfstiefeln, mit unserer Tropenhose. Ein deutscher Kampfanzug *
Um Soldaten in fremde Länder zu senden, um andere dumm und arm zu halten, braucht man im eigenen Land Arme und Dumme. Nicht wenige, die freiwillig zur Armee gehen, sind ohne berufliche Perspektive. Noch wichtiger ist das mangelnde gesellschaftliche Interesse der schlecht oder nicht Gebildeten. Unter ihnen Nichtwähler ohne Zahl. Was soll es die kümmern, die ihre Zeit mit der Jagd auf Billig-Waren verbringen müssen, wo die Bundeswehr gerade ihre Stiefel abtritt. Für die dritte Generation Arbeitsloser ist der Abschluss der Hauptschule fast so weit weg, wie das Horn von Afrika. Ihre Antwort auf die Gewalt, die man ihnen antut, ist die Gewalt, die sie anderen antun. Sie haben keine Wahl.
Wir hatten sie sterben gesehen, schreien gehört, ihre Wunden gefühlt, ihr Blut und ihren Angstschweiß gerochen. Jetzt saßen wir neben unseren toten Kameraden. Allein. Damit sie nicht allein waren. Nicht allein in ihrem Tode, der in unseren Augen so sinnlos war, so überflüssig. Und sie waren so jung *
Manche wählen nach persönlichen Themen und Vorlieben: Die GRÜNEN sind die älteste, konsequenteste Umweltpartei, mit denen ist man auf der Seite des Klimas. Um ein drohendes Schwarz-Gelb zu verhindern, scheint manchem die Wahl der SPD unumgänglich. Frauen wählen häufig Frauen, warum also der ersten Kanzlerin des Landes keine zweite Chance geben. Wäre es, wenn ich schwul bin, nicht ein liberaler Vorteil, wenn das Land den ersten schwulen Außenminister bekäme? Keine der vier erwähnten Parteien hat zum Krieg in Afghanistan bisher Nein gesagt. Alle sind sich, mehr oder weniger, einig, dass er notwendig den Terror bekämpft.
Zwei der Soldaten haben in die Särge gepasst und sind eingesargt, die anderen zwei sind zu groß. Man hat uns daraufhin die Kisten geschickt. Jetzt können wir sie entweder benutzen oder den Toten die Füße brechen und sie in die richtigen Särge legen. *
Bekämpft man die Flut, indem man den Wasserhahn aufdreht? Zündet man das Nachbarhaus an, um das Feuer zu bekämpfen? Schüttet man Dreck auf den Boden, um das Zimmer zu säubern? Aber den Terror mit Terror zu bekämpfen, das wird klug und richtig genannt. Wie anders als Terrorismus soll ein Afghane Panzer, die durch sein Land fahren, Bomben, die man auf sein Haus wirf und bewaffnete Männer in seiner Schlafkammer empfinden? So wie Dreck nur Dreck erzeugt, so erzeugt Terror nur neuen Terror. Im achten Jahr. Nichts hat sich für die Afghanen verbessert, nichts für die internationale Sicherheit.
Wie hatten sie über diesen Einsatz abstimmen können, wenn sie doch gar nichts darüber wussten? Ich hatte mir nie klar gemacht, dass auch Bundestagsabgeordnete nur Menschen sind, aber ich hatte mir das Ganze doch irgendwie professioneller vorgestellt. *
Man muss die Herren Lafontaine und Gysi nicht mögen, man muss ihnen nicht einmal trauen, nur dem eigenen Verstand: Die LINKE ist die einzige Partei, die sich ohne Wenn und Aber für einen Abzug der Bundeswehr ausspricht. Sie wird nicht in einer künftigen Bundesregierung sein. Aber sie bleibt die fundamentale Konkurrenz zur Kriegsgewissheit aller anderen, sie wird das Antikriegsgewissen der Nation sein. Manchmal ist es einfach, sich ein gutes Gewissen zu verschaffen. Zum Beispiel am kommenden Sonntag.
Alle mit einem * gekennzeichneten Zitate sind aus dem Buch "Ein schöner Tag zum Sterben" (Krüger-Verlag) der Oberstabsärztin Heike Groos, die insgesamt zwei Jahre mit der Bundeswehr in Afghanistan war.
Über den Wahlausgang, die Rolle der Medien und einen alternativen TV-Sender findet am Montag, 28. September 2009, um 19.00 Uhr ein GALERIE-GESPRÄCH statt. In der Insel-Galerie, Torstr. 207, 10115 Berlin.
Es referiert Dr. Jürgen Scheele, geb. 1963, Politikwissenschaftler, Referent für Medienpolitik der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, zuvor langjährige Tätigkeit als Editor, Trainer und Berater im Bereich Broadcast & Multimedia.