Don't tell me change is not possible
Barack Obama

Die "Bild-Zeitung" legte bei Obamas Amtsantritt eine Weihnachts-Wunschliste vor, die "Süddeutsche" lobpreiste "Amerika - auferstanden aus Ruinen", der "Spiegel" delirierte, dass der amerikanische Traum wiederauferstanden sei. Deutsche wie internationale Medien sahen den begnadeten Redner als Mittler zwischen dem lieben Gott und den Menschen: Wenn er nicht der wiedergeborene Jesus war, so galt er zumindest als heilig. Zu einer ähnlichen Postion gelangte auch das Komitee, das ihm, mitten im schönsten Afghanistankrieg, den Friedensnobelpreis verlieh. Fast ein Jahr lang ist Barack Obama, der mächtige Präsident der USA, im Amt. Es ist an der Zeit, den Schein von Heiligkeit, der den Präsidenten umweht, auf seine Alltagstauglichkeit zu untersuchen.

Auch der Islam kennt Heilige: Zu ihnen zählt die Sagengestalt „al-Chadir“ („der grüne Mann“) der bei Allah als Fürsprecher auftreten kann. So manches Stossgebet aus den Reihen der palästinensischen Hamas könnte al-Chadir erreicht haben. Denn ihr innenpolitischer Gegner, der Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, ist zurückgetreten. Nicht zuletzt, weil die USA ihn vorgeführt hatten. Noch bei seiner Kairoer Rede im Juni hatte Obama der islamischen Welt erzählt: „Die Vereinigten Staaten betrachten die fortgesetzte israelische Besiedelung nicht als legitim." Denn diese Besiedlung, die sich in das Palästinensergebiet frisst wie die Raupe die Blätter und untergräbt "die Bestrebungen, Frieden zu erreichen. Es ist an der Zeit, dass diese Besiedelung aufhört." Sagte einst der Heilige Obama. Seine Stellvertreterin auf Erden, Hillary Clinton, teilte jüngst dem Palästinenserpräsidenten mit, dass der Siedlungsbau nichts mit den Friedensverhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern zu tun habe.

Der israelisch-plästinensche Konflikt ist der Dreh- und Angelpunkt aller Konflikte zwischen der islamischen und der westlichen Welt. Er handelt von Gerechtigkeit, von islamischer Selbstachtung und westlicher Missachtung, von Ohnmacht auf der einen und Macht auf der anderen Seite. Auch deshalb beauftragte der UN-Menschenrechtsrat den Völkerrechtler Richard Goldstone mit einer Untersuchung des Gaza-Kriegs, in dessen Verlauf 1.400 Palästinenser, unter ihnen viele Frauen und Kinder, getötet wurden und die israelische Seite 13 Tote zu beklagen hatte. Goldstone stellte Menschenrechtsverletzungen auf beiden Seiten fest. Anders als zu Beginn der Präsidentschaft von Barack Obama, stehen inzwischen auch die Israelis im Ruche der Heiligkeit. Und Heilige verletzen kein Menschenrecht. Wohl deshalb lehnten die USA den Goldstone-Bericht ab. Und zementierten so ihre konfrontative Haltung gegenüber der islamisch geprägten Welt.

Dem erneut ins Amt manipulierten afghanischen Präsidenten gratulierte Barack Obama telefonisch. Vorher hatte er ihm noch ganz andere Gratulanten geschickt: Die US-Truppen in Afghanistan wurden in diesem Jahr um 21.000 Mann aufgestockt. Offiziell. Weitere 13.000 Soldaten, meldete die "Washington Post", seien "heimlich" an den Hindukusch geschickt worden. Das hat das Land nicht sicherer gemacht: Derzeit sind die Verluste der Amerikaner so hoch wie nie in den acht Jahren des heiligen Kriegs gegen die Ungläubigen. Der Kreuzzug des Westens gegen den Osten geht weiter. Auch unter Obama, den viele anfänglich für einen Friedensbringer gehalten hatten. Dass Stanley McChrystal, Obamas Oberbefehlshaber in Afghanistan, noch 40.000 Soldaten mehr haben möchte, wird der Präsident wohl an die Verbündeten weiterreichen. Alles andere wäre ein Wunder.

Auf ein Wunder hoffte auch die deutsche Kanzlerin, als sie in ihrer Rede vor dem amerikanischen Kongress kund tat, sie habe sich schon als Mädchen in der DDR "für den American Dream - die Möglichkeit für jeden, Erfolg zu haben" begeistert. Noch im März dieses Jahres verhandelte sie auf einer Videokonferenz mit Barack Obama über die Zukunft von Opel. Fraglos telefonierte sie mit dem neuen Generaldirektor von General Motors, dem Besitzer von Opel, denn der amerikanische Automobilkonzern wurde zwischenzeitlich von Obama verstaatlicht. Und noch vor der Bundestagswahl hatte Merkel stolz verkündet, dass Opel gerettet sei. Unsanft wurde sie von der Meldung geweckt, dass die Regierung der USA anders entschieden hatte. Der monatelang gehegte Traum von einem neuen, selbstständigen Opel-Konzern wird nun erfolglos bleiben. Aber das war ja auch kein amerikanischer Traum, sondern ein deutscher. Und auf diese Sorte Träumerei ist Obama nicht vereidigt worden.

Ein Albtraum zeichnet sich in der Vorbereitung der Weltklimakonferenz in Kopenhagen ab. Zwar hatte Sankt Obama im Präsidentschaftswahlkampf noch verlangt, dass die USA bei der Bekämpfung des Klimawandels eine Vorreiterrolle übernehmen sollten. Aber heute erklärt sein Chefunterhändler, dass er in Kopenhagen keinerlei verbindliche Zahlen vorlegen werde. Immer noch sind die USA das Land mit der höchsten Pro-Kopf-Emission an Treibhausgasen in der Welt. Immer noch haben sie nicht das Kyoto-Protokoll ratifiziert und das Nachfolgeabkommen werden sie nicht unterzeichnen. Von der Vorreiterrolle zur Rolle rückwärts: Wir haben den Wahlkampfslogan Obamas "Sag mir nicht, Wandel ist nicht möglich" einfach missverstanden. Der von vielen Hoffnungen begleitete Präsident der USA hat sich gewandelt. Und seinen Heiligenschein hat er längst in irgendeiner Garderobe der Lobby abgegeben.