Da kamen sie dann alle: Die Kanzlerin und deren Freundin Friede Springer, die Blubb-Verona und der Sahne-Udo, der EU-Kommissionspräsident Barroso, der Millionärs-Jauch und eine Reihe anderer Millionäre, der Herr ZDF-Intendant Schächter und der Herr Verleger Burda. Immer rin in das Konzerthaus am Berliner Gendarmenmarkt. Denn der Bertelsmann-Verlag wurde 175 und die Kanzlerin sagte dann auch prompt ein längeres Lob-Hudel-Gedicht auf: "Und der Erfolg gab Carl Bertelsmann Recht – ein Erfolg, der weiter fortgeschrieben wurde." Zwar: "Mit dem Nationalsozialismus in Deutschland wurde ein dunkles Kapitel aufgeschlagen, das auch das Verlagshaus immer stärker in Beschlag nahm." Aber: "Ich glaube, man kann sagen: Ohne Reinhard Mohn wäre aus dem Carl Bertelsmann Verlag nicht der Weltkonzern Bertelsmann AG geworden." Und ohne erhebliche Steuervorteile hätte die Bertelsmann AG nicht so viel Geld scheffeln können und ohne ihre wunderbare Stiftung, eine Denkfabrik, die dieser oder jener Regierung gerne fertige Gesetze formulierte, hätten wir immer noch kein Hartz IV und keinen vogelfreien Arbeitsmarkt.
Liz Mohn, die unumschränkte Herrscherin im Hause Bertelsmann und ziemlich weit darüber hinaus, wollte nicht auf den Firmengeburtstag warten, sondern die Ergebenheitsadresse an ihre Person lieber in die eigene Hand nehmen. Also bestellte sie vorab beim Klatsch- und Tratsch-Magazin "Bunte" einen mehrseitigen Lobgesang, dessen Hosianna in folgendem Titel gipfelte: "Patriarchin mit großem Herzen". Viel Weiß und Gold, wie bei Königs zuhause, ist auf den Fotos der Homestory zu sehen. Zufällig ist gerade der französische Botschafter Bernard de Montferrand im Haus und genießt ein "Gastmahl". Und siehe: Er ". . . schaut in den Park, dessen antike Figuren und Wasserspiele ihn ein wenig an Versailles erinnern." Für dieses "ein wenig" wird sich der Aufschreiber der "Bunten" sicher einen Rüffel abgeholt haben. Aber wie elegant der Autor die Unzucht mit Abhängigen umgeht, die den alten Mohn nie vor ein Gericht gebracht hat: "Sie (Liz) war erst 17, als sie Reinhard Mohn kennenlernte. Sie arbeitete als Telefonistin in seinem Unternehmen . . . Nun ja, es habe sie schon gegeben, diese legendäre 'Reise nach Jerusalem' auf dem Betriebsfest." Die Kinder, die während dieser langen "Reise" entstanden sind, hat Mohn, zur Zeit der 'Reise' schon 43 Jahre alt, dann später anerkannt.
Das "dunkle Kapitel" von dem das arme Verlagshaus, "immer stärker in Beschlag" genommen wurde, wie die Kanzlerin in ihrer Rede wußte, hieß Profit: Schon 1933 gab es NS-Propaganda aus dem Hause Bertelsmann mit der Broschüre "Sterilisation und Euthanasie". Nur ein Jahr später erschien: "Der Kleine Katechismus für den braunen Mann". Eine Reihe antisemitischer Schriften sollte folgen. Nicht in der rührenden Geschichte vom "Lesering", der in den Fünfziger Jahren mit immer mehr Mitgliedern immer mehr Bücher umsetzte, liegt die Wurzel des Unternehmens, sondern im braunen Boden der Dreissiger Jahre. Mit einhundertausend Beschäftigten und mehr als sechzehn Milliarden Jahresumsatz gehört Bertelsmann heute zu den größten Medienkonzernen der Welt. Das Publikationshaus Gruner & Jahr (Stern, Brigitte, Capital) gehört dazu, auch der TV-Sender RTL und weitere 45 Fernsehsender und mehr als 30 Radiostationen, und natürlich die "Deutsche Verlagsanstalt", die, unter dem großen Mantel der "Random House Gruppe" auch das jüngste Sarrazin-Buch herausgibt. Hier schließt sich der Kreis: Immer noch macht Bertelsmann aus braunem Dreck Gold.
Es ist vor allem die Bertelsmann-Stiftung, die seit Jahr und Tag nach dieser oder jener deutschen Regierung greift: Von der Hartz IV Gesetzgebung bis zur unsäglichen Bologna-Hochschulreform: Die Regierungsflüsterer der Bertelsmann Stiftung sind immer gern zur Hand, wenn es um neue "Reform"-Projekte geht, gleich ob es um die Abschaffung der öffentlichen Kontrolle des Privatfernsehens oder die Abschaffung der Arbeitslosenversicherung handelt. Auch wenn die Stiftung den Begriff "neoliberal" nicht erfunden hat, ist sie doch dessen Inbegriff. Dass Bertelsmann ein Regierungs-Bildungs-Projekt ist, beweist auch die Kanzlerin in ihrer Rede zum Konzerngeburtstag: "Wenn das Erbe von Reinhard Mohn und das langfristige Denken weiter Ihr Haus bestimmt, dann können wir in 25 Jahren – da bin ich mir ganz sicher – 200 Jahre Bertelsmann feiern", sagt Frau Merkel und weist schlagend nach, dass sie doch rechnen kann. Welch ein erhellendes Kapitel.