In der englischen Stadt Mansfield wurde eine Beleuchtung installiert, die Hautunreinheiten und Pickel deutlich zu Tage treten lässt (AFP). Sie sollte Jugendliche von bestimmten Treffs abhalten. Nach einem ersten, gelungenen Versuch wollen die Mansfielder die Pickel-Beleuchtung auch an anderen Stellen der Stadt anbringen. Offenkundig reicht die Erkenntnis aus, unrein zu sein, um Scham zu erzeugen und Rückzüge aus der Öffentlichkeit zu erzwingen. Das Projekt, technisch verbessert und erweitert, könnte in Zukunft gesellschaftliche Unreinheiten aller Art zum Vorschein bringen. Zum Wohle des Volkes.

Nehmen wir den Fall des Mehdorn, der natürlich nur fällt, er selber ist gar kein Fall, der Fall heißt Tiefensee, stellvertretend für die Koalitionsregierung. "Mit großem Respekt", sagt der Minister, habe er das Rücktrittsangebot des Bahnchefs entgegengenommen. Plötzlich, mitten in der Pressekonferenz, geht diese Pickel-Lampe an: Auf Tiefensees Gesicht sind hunderte grüner Pickel zu erkennen: Unsauber. Denn der Minister und Mehdorn hassen sich seit Jahren wie die Pest. Von Respekt keine Spur. Die Journalisten wissen das. Schreiben aber meist nicht darüber. So dient die Lampe auch der Kommunikations-Hygiene. Vor laufenden Kameras grüne Pickel. Der TV-Bürger weiß jetzt zumindest: Da stimmt was nicht.

Der Unions-Fraktionschef Volker Kauder erzählt: "Die Abwrackprämie ist als konjunkturstimulierendes Mittel sehr erfolgreich." Mit der Prämie, das weiß jeder, werden im wesentlichen Polos gekauft (in Spanien gebaut), oder Corsas (in Polen hergestellt), auch gerne Dacias (Rumänien) und Skodas (Tschechien). Von daher hat Kauder natürlich recht: Die Prämie stimuliert irgendwie die Konjunktur in den genannten Ländern. Aber auf die Erläuterung deutscher Mildtätigkeit gegenüber Nachbarstaaten verzichtet der Unionspolitiker. Auch auf die freundliche Ergänzung, dass diese Maßnahme den Konzerngewinnen bei VW und Opel dient, dort aber leider nicht einen einzigen Arbeitsplatz sichert: Lampe an, Pickel sichtbar.

Die IG Metall, einst eine eher linke Gewerkschaft, schaltet Anzeigen in großen Zeitungen. Sie verlangt, der Krise wegen, "Entschuldigungen" von den Vorständen der Banken und bettelt die Vorstände von Unternehmen an: "Ziehen sie Lehren aus der gefährlichen Shareholder-Orientierung". Man mag die Anzeige kaum anfassen, so grün ist sie unter der Lampe. Schon die sprachliche Verunreinigung der "Shareholder-Orientierung", der Anteilseigner-Unternehmensführung, ist sonderbar: Wie soll ein privates Unternehmen anders geführt werden? Im Sinne der Caritas? Selbst die entlässt Leute. Schlimmer noch ist der devote, verschleiernde Ton. Der darf als schwere Verunreinigung der Interessen der Gewerkschaftsmitglieder nicht unter tausend Pickel auf dem Gesicht des IG-Metall Vorsitzenden bestraft werden.

Eine Weiterentwicklung der Weiterentwicklung läge in der Dauer, mit der die Pickel ans Licht gebracht werden würden. Zum Beispiel Seehofer: Gestern noch für den Gesundheitsfonds, heute dagegen, gestern für die Agro-Gentechnik, heute dagegen, gestern gegen die Eigenheimzulage, heute mit Begeisterung dafür. Das muss doch mit einem Pickel-Packet nicht unter drei Jahren kenntlich gemacht werden. - Oder Horst Köhler: "Die Ausdehnung des internationalen Handels war einer der Kanäle, durch den die Globalisierung zu beispiellosem weltweitem Wohlstand in unserem Leben beigetragen hat" sagte der damalige Chef des Weltwährungsfonds (IWF), in einem Interview im Jahr 2001. Das war in der Zeit, als der IWF gerade Argentinien und andere lateinamerikanische Staaten in die Pleite geritten hatte.

Nur acht Jahre später klingt der selbe Köhler, in seiner jüngsten Berliner Rede, so: "Es war in Prag, im September 2000. Ich war neu im Amt als Geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds. Die Entwicklung auf den Finanzmärkten bereitete mir Sorgen." Köhler macht sich immer Sorgen. Meist um das eigene Portemonnaie. Köhler schluchzt auch gern vor Kameras. Meist aus Sorge um seine Wiederwahl. Köhler sollte als Dauer-Pickel-Träger in die Geschichte eingehen: Für jedes Jahr als Bundespräsident zehn Jahre Pickel. Für jeden Schluchzer ein weiteres Jahr. Wenn er das Wort "Sorge" in Zusammenhang mit öffentlichen Angelegenheiten erwähnt: Noch ein Jahr.

Doch die Wende naht. Sie wird mit einem Buch von Hans-Werner Sinn, dem Chef des Institutes für Wirtschaftsforschung, eingeleitet werden: In "Wachstum und Pickel" wird er den nicht zu wiederlegenden Beweis erbringen, dass Pickel ein untrüglicher Ausdruck von Erfolg und Wachstum sind. Die FAZ wird mit einem Artikel von Frank Schirrmacher über "Das Pickel-Minimum" bündig darlegen, dass erst ein Mindestmaß an Pickeln das Überleben der Gesellschaft sichert. Und während vom Schäuble-Ministerium an allen Straßen und Plätzen Pickel-Lampen installiert werden ("Wem der Pickel fehlt, der wird den Rechtsstaat zu spüren bekommen"), bereiten die Zeitschriften "Brigitte" und "Mens Health" eine Gemeinschaftsausgabe vor: "Fit mit Pickeln!" Nach einer Erklärung von Angela Merkel ("Die Pickel kommen bei den Menschen an") steigt der Verkauf künstlicher Pickel in ungeahnte Höhen und die Leute in Mansfield wundern sich: Die Deutschen, sagen sie, sind nicht mehr wiederzuerkennen.