Zugegeben, es könnte noch schlimmer kommen, nach Wojtyla wäre Joseph Kardinal Ratzinger möglich, die Glaubensguillotine, das Rasiermesser der Kurie. Aber erst mal musste Johannes Paul beerdigt werden, wofür zahlen wir denn sonst Fernsehgebühren oder haben eine Zeitung abonniert? Richtig, damit wir, seit die Todesstunde des Papstes nahte, alles von Nahem sehen und
miterleben konnten: Wie ihm erst die Stimme wegblieb und dann das Leben.selbst Feinde des Katholikenchefs fanden, dass auch ein Medienpapst diese Vorführung, dieses Glotzen auf die Krankheit nicht verdient gehabt hätte.

Verdienste allerdings konnte der Verstorbene, glaubt man der Berichterstattung, ohne Ende anhäufen. Wie er den Kommunismus nahezu im
Alleingang zerschlagen hat, zählte bei seinen Freunden in der Bush-Family besonders viel. Befreit vom Zwang konnten die Leute im Osten jetzt endlich, ja, was eigentlich, jedenfalls nicht nach Herzenslust dem Fleische huldigen. Einerseits weil die wirtschaftliche Lage nur in wenigen Ländern besser, in manchen schlechter wurde und andererseits weil der Papst partout auf Vollzug
in der Ehe bestand, alles andere hatte mindestens Fegefeuer und jährliche Strafpilgerei zur Folge.

Nach Rom pilgern sie seit Tagen in größeren Mengen. Bei der italienischen Polizei konnte man sich, seit Genua 2001, dem G-8-Gipfel, eigentlich auf eine professionelle Behandlung von Demonstrationen verlassen. In Rom versagte sie
kläglich. Keine Verhaftungen, keine eingeschlagenen Köpfe, kein gestürmtes Hotel. Aber wenn jetzt doch ein Carabinieri gerufen hätte: Diese nicht angemeldete Kundgebung ist hiermit aufgelöst!? Dann wäre die Hölle los gewesen, ein Szenario, das durchaus ins vatikanische Bild gepasst hätte.

Dreitägige Staatstrauer für den Papst in Kuba, wie mag Castro auf diese Idee gekommen sein? Die Frage ist einfach zu beantworten: Kubanischer
Machismo findet in der Haltung des Katholizismus zu den Frauen eine würdige Entsprechung. Und wenn wir dem Phönix-Reporter glauben dürfen, der während der Papst-Trauerfeier sicher war, dass "Johannes Paul gewiss schon ein Heiliger in den Herzen der Menschen ist", dann haben wir einen weiteren Hinweis: Natürlich möchte Castro auch heilig gesprochen werden. Das muss es gewesen
sein, was Antje Vollmer meinte, als sie plädierte: "Die christlichen Wurzeln viel mehr zu pflegen."

Was trieb Hunderttausende zum aufgebahrten Papst? Selbst in so römisch-exotischen Ländern wie Italien war der Kirchengang bei vielen längst zum Ritual erstarrt. Nur an den hohen Feiertagen waren die Kathedralen schon mal gefüllt und auch wenn die älteren Damen auf dem Dorf nur selten die Messe versäumten, gingen die Städter, die Mehrheit, ins Café. Es ist das selbe Syndrom wie
bei gewöhnlichen Verkehrsunfällen: Kaum einer will helfen, niemand macht sich nützlich, alle wollen dabei sein. Aber die zwei Millionen Polen in Rom können doch nicht wirklich auf einen Unfall gehofft habe. Und außerdem: "Er ist der einzige Papst den wir kennen gelernt haben." Identisches Zitat von unterschiedlichen Jugendlichen aus unterschiedlichen Ländern. Nur Rainier von Monaco war länger im Amt.

Aus Monaco kamen auch die meisten Beschwerden über die aktuelle Situation in Rom. Von Geschäftsschädigung wurde gesprochen, Diebstahl von Sendeminuten wurde moniert. Auch "Gala" und die "Bunte" waren ziemlich sauer: "Wären die
Ereignisse getrennt gelaufen," so ein Insider, " hätten wir ein halbes Jahr davon leben können, aber so...". Last, but I presum not least indeed, ist
auch Prinz Charles ein Opfer der Gleichzeitigkeit schlimmer Nachrichten geworden, von denen wir längst wissen, dass sie eigentlich good news sind.
Wer hat denn jetzt noch Zeit seine Hochzeit gebührend zu würdigen?

Ganz England, wenn man mal von Herrn Blair absieht, von dem erzählt wird, er wolle zum Katholizismus konvertieren (nur ein Wunder kann ihn aus der Irak-Klemme befreien), leidet unter dem Papstbegräbnis. Immerhin war es bereits
1534 als sichHeinrich der VIII von Rom lossagte und zum Oberhaupt der englischen Kirche
erheben ließ. Und nun muss die Hochzeit eines englischen Thronanwärters wegen eines Papstes verschoben werden. So geht ein Weltreich zugrunde.

Unser Kanzler hat gesessen. Dem Sarg nah, gemeinsam mit Herrn Köhler, gehörte er zu den Ehrengästen, die sitzen dürfen. Eigentlich wollten sie alle gemeinsam, Regierung, Präsident und Opposition, zur Beerdigung fliegen. Da hätten sie im Regierungsairbus den Jobgipfel vorbereiten können. Nun konnten sie nur gemeinsam beten. Es gibt Analysten die sagen, es sei das einzige,was noch hülfe.