Ganzkörperverhüllte Frauen dürfen in Frankreich bald nicht mehr den Bus betreten. Das scheint eine schwache Massnahme gegen eine Minderheit, gemessen an den umfassenderen Anfangs-Maßnahmen der Nazis gegen eine andere Minderheit: Juden durften nicht mehr auf Parkbänken sitzen, ihre Kinder nicht in öffentliche Schulen schicken, ihre Berufe nicht mehr ausüben, nicht mehr Mitglieder in Vereinen sein.
Doch der alle Parteien umfassende französische Parlamentsausschuss will nicht nur ein Busverbot. Jegliche "Vermummung" in öffentlichen Einrichtungen soll verboten werden: Kein öffentliches Klo mehr für verschleierte Bedürfnisse, kein staatliches Krankenhaus für Burka-Trägerinnen, raus mit den Verhüllten aus den Museen, den öffentlichen Parks. Frankreich wird Burkafrei.
Die Schweizer haben den Minaretten eine Absage erteilt, die Holländer haben ihren Theo van Gogh, in Deutschland wächst der Chor islamophober Hassprediger unter der Leitung des bewährten Dirigenten Henryk Broder. Doch kaum jemand hat das Thema so dämlich in so schlechte Sprache gefasst, wie André Gerin von den französischen Kommunisten: "Die Vollverschleierung ist nur die Spitze eines Eisbergs. Dahinter verbergen sich skandalöse Praktiken von religiösem Fanatismus." Nicht nur Sarkozy, der Erfinder des Anti-Burkismus, hat schlechte Umfragewerte, die KPF auch.
Die Pornofizierung der westlich orientierten Länder, die schamlose Ausbeutung nackter Körper zur Hebung von Umsatz und Auflage, die nackten Frauen als Möbel in den Fotografien von Newton und anderen, gelten natürlich als Praktiken der Freiheit. Das Diktat immer währender Jugendlichkeit - abzulesen an den starren Hautpartien frisch gelifteter Damen und den zu Beton-Ballons aufgeblasenen Brüsten - wird zur verbindlichen Regel dafür, wie man sich im öffentlichen Raum zu bewegen hat. Mach dich frei, Baby.
Aber natürlich geht es in Wahrheit nicht um einen ästhetischen oder einen kulturellen Dissens. Es geht um den "Kampf gegen den Terrorismus", jenes politische Programm, das nach außen die Legitimation dafür abgibt, gewinnträchtige Pipelines militärisch abzusichern, und nach innen als psychologische Aufrüstung wirkt, um dem Überwachungsapparat gegen die eigenen Bürger eine gewisse Legitimation zu verschaffen. Da ist jede Burka zur Vermummung der wirklichen Gründe recht.
In vielen heute islamisch orientierten Ländern gab es lange laizistische Regimes: In Ägypten, Syrien, im Irak und im Jemen, in Indonesien, zum Beispiel. Doch hatten diese Regimes, aus der Sicht der "freien Welt" andere schwere Mängel: Sie waren aus Unabhängigkeitsbewegungen entstanden, nationalisierten nicht selten jene Rohstoffquellen von denen die ehemaligen Kolonialmächte behaupteten, dass sie ihnen gehörten oder übernahmen strategisch wichtige Punkte wie den Suez-Kanal in eigene Regie. Das alles mochte der Westen nicht dulden und setzte gerne und mit Erfolg auf die islamistische Opposition. Darüber freuen sich noch heute die Hamas, einst vom Mossad versorgt und die Taliban, früher vom CIA gehätschelt.
Ausländische Truppen im Irak und in Afghanistan, gezielte Anschläge durch ausländische Mächte auf Orte in scheinbar souveränen Staaten, allein die USA haben fast 300 000 Soldaten außerhalb der Landesgrenzen stationiert, mehrheitlich in islamisch geprägten Ländern: Die Frage wer wen terrorisiert ist quantitativ längst entschieden.
Tatsächlich ist zu vermuten, dass die Burka ein Ergebnis männlicher Beherrschungsphantasie ist. Ganz sicher allerdings darf nur eines sein: Das Abwerfen der Burka und männlicher Dominanz ist die Aufgabe jener Frauen, die sie tragen und ertragen. Laizistische Staaten müssen solche Schritte auf ihren Territorien mit ihren Mitteln unterstützen, den Frauen, wenn nötig, allen Schutz der Gesetze zusichern. Das wäre jene Freiheit, die über die Entblössung hinaus ginge.