Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen,
bis dass du wieder zu Erde werdest,
davon du genommen bist.
Genesis 3,19

Mit der Vertreibung aus dem Paradies fing alles an. Zuvor hatten sich Adam und Eva keine Gedanken um Ihre Rente gemacht. Danach aber bekamen sie die Höchststrafe: Lebenslänglich. Bis an das Ende ihrer Tage sollten sie nun für ihr Brot ackern. Soweit will die ganz große Koalition von CDUCSUSPDFDPGRÜNE nicht gehen. Aber bis 67 sollen die Deutschen schon arbeiten. Jüngst meldete sich das "Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung" mit der Forderung, das Renteneintrittsalter auf 70 anzuheben. Wer bietet mehr? Warum nicht erst mit 80 in die Rente? Weil die deutschen Männer im Schnitt nur 77 Jahre alt werden. Immerhin könnten die Frauen, die durchschnittlich 82 Jahre alt werden, sich dann noch zwei Jahre an ihrem Ruhestand erfreuen.

Es sind gern die selbsternannten Renten-Experten wie Rührup oder Maschmeyer, die das demografische Schreckensszenario an die Wand pinseln: Wenn die Rente nicht später begänne, dann sei niemand mehr da, der sie bezahlen könne. Die Wahrheit ist, dass die Mehrheit der Deutschen längst vor dem 65. Lebensjahr aus dem Arbeitsprozess ausscheidet. Nur etwa acht Prozent arbeiten bis zum bitteren Ende. Wer also vorzeitig geht, braucht ein Zusatzrentenversicherung, so die Rechnungen der privaten Rentenversicherungs-Verkäufer.

Dem ZDF-Moderator Peter Hahne fällt in der "Bildzeitung" folgende Lyrik zum Thema ein: "Unsere Gesellschaft macht sich arm, wenn sie den Reichtum an Lebens- und Berufserfahrung, an Menschenkenntnis und Herzensbildung, den ältere Arbeitnehmer einbringen können, brachliegen lässt." Das wird die Supermarkt-Kassiererin, die in der Stunde 800 Kilo Ware aufs Band stemmen muss, sehr freuen. Auch der Mann am Montageband bringt seine Herzensbildung gern noch ein paar Jahre länger ein. Dass die Fliesenleger meist schon mit 50 kaputte Knie haben, sollte sie nicht daran hindern uns alle noch weitere 17 Jahre zu bereichern.

Rund 675 000 junge Deutsche leben mit unbezahlten Praktika, unsicheren Zeitverträgen oder Niedriglohn-Jobs. Auch, dass etwa zehn Prozent der unter 25-Jährigen arbeitslos sind, kann die Rentenalterverlängerer nicht irritieren: Warum sollten die Jungen die Jobs der Alten denn übernehmen, fragen sie. Da ist es wie beim Auto: Erst bei längerer Laufzeit hat sich die Investition rentiert. Damit nur ja keiner auf dumme Ideen kommt, textet der 58-Jährige Peter Hahne, dessen Rente mit 65 gesichert ist, für die "Bildzeitung": "Ältere werden immer mehr gebraucht, weil immer weniger Jüngere nachwachsen."

Dass die Jüngeren angeblich ein schlecht nachwachsender Rohstoff sein sollen, wird in einer Studie des Statistischen Bundesamtes behauptet, die sich auf die demografischen Daten des Jahres 2001 stützt und sie bis ins Jahr 2050 hochrechnet. Weder kann eine solche Rechnung die Entwicklung der Migration ernsthaft voraussagen, noch ist die jetzige Geburtenquote für alle Ewigkeiten vom Statistischen Bundesamt festzulegen. Beide Faktoren sind selbstverständlich politisch zu beeinflussen.

Aber in welches Medium man auch reinliest oder -hört, alle verkünden die demografische Entwicklung wie ein Naturgesetz. Das erinnert fatal an die mediale Begleitmusik der Agenda 2010: Ohne die, so die Kommentatoren damals, sei Deutschland für immer verloren. Es müsse, schrieen die Wirtschaftsweisen, unbedingt am Sozialen gespart werden. Dass Deutschland nur wenig später mehr als 100 Milliarden zur Rettung der Banken und Griechenlands locker machen konnte, war das nächste Naturgesetz.

Die Sache mit der Vertreibung aus dem Paradies sei, so die Bibel, die Folge davon, dass Adam und Eva vom Baum der Erkenntnis genascht hätten. Das ist heute genau umgekehrt: Wer sich vom Geschwätz der Privat-Renten-Lobby ihrer willfährigen Politiker und Medien einlullen lässt, der wird nie zur Erkenntnis gelangen, dass er betrogen wird. Darauf steht letztlich Lebenslänglich.